Claudia Smeets und Christoph Kazmierczak

März 2016 / Seite 3 von 3

Eltern geben sich auf, Jugendliche hängen rum. Nun gibt es Stimmen, die daraufhin instinktiv sagen: Das liegt am bösen Kapitalismus. Zuviel Druck. Zuviel Ungleichheit. Der eingangs erwähnte Andreas Mohn behauptete im Gespräch in der letzten Ausgabe das Gegenteil: Nur die Marktwirtschaft ermöglicht Perspektive. Nur sie eröffnet jedem Einzelnen eine Aussicht auf Aufstieg. Nur der Wettbewerb treibt an.

Christoph Kazmierczak: Da widerspreche ich Herrn Mohn vehement. Motivation kommt nicht durch eine abstrakte Idee von Wettbewerb, sondern aus einem selbst sowie durch die Menschen, mit denen man sich umgibt. Klar ist der Blick frei auf all die tollen Chancen, wenn es einem von Haus aus gut geht und man sowieso schon alle Möglichkeiten hat. Umgeben mit Eltern, die sich aufgegeben haben und Menschen, die keine Perspektiven aufzeigen, spürt man das nicht. Sind Schulabschluss und Qualifikationen zu gering und die Anforderungen selbst für einfachere Berufe immer höher, ist es schwer, Motivation aufzubringen. Klar, theoretisch kann man alles erreichen. Aber denken Sie doch mal an die eigene Kindheit. Sind wir von uns aus voller Elan in die Schule gegangen? Haben wir von uns aus gute Noten erarbeitet? Nein. Erstmal haben wir für die Eltern und die Lehrer gelernt.

Wir haben aber auch Talente und Leidenschaften an uns entdeckt und uns in das gestürzt, was uns Freude machte und was wir besonder gut konnten.

Christoph Kazmierczak: Auch das muss man erstmal entdecken. Früher ist man raus gegangen und hat irgendwo gespielt. Schon das machen die Kinder längst nicht mehr so stark. Viele haben keine Idee, was sie eigentlich mit sich anfangen sollen.
Claudia Smeets: Womit wir schon wieder bei der emotionalen Armut wären. Es kostet schließlich nichts, mit den Kindern mal in den Wald zu gehen. Oder einfach nur vor die Tür. Es gibt Bäume da draußen. Wunderschöne Natur. Das verlieren viele aus den Augen.
Christoph Kazmierczak: Gehen die Eltern vor die Tür, gehen die Kinder vor der Tür. Wissen die Eltern, sich sinnvoll zu beschäftigen, kommen die Kinder ebenfalls auf gute Ideen. Hängen die Eltern nur herum, tun die Kinder gar nichts. Oder das Falsche.

„Nichts lässt eine Seele mehr vertrocknen als eine anregungsarme Umgebung.“
(Claudia Smeets)

Die Kindertafeln machen also auch hier Vorschläge?

Claudia Smeets: Sie organisieren Ausflüge. Das sind sehr wichtige Tage für die Kinder. Zum Beispiel das Erlebnis, mal einen Tag im Kletterwald zu verbringen. Solche schönen Aktionen müssen ebenfalls finanziert werden, wofür wir wieder auf den Plan treten.
Christoph Kazmierczak: Es hat überhaupt keinen Sinn, einer Hartz IV-Familie, die sich nicht um ihre Kinder kümmert, mehr Geld zu geben. Die Kinder brauchen Perspektiven und Erlebnisse. Wobei niemand den Kindern vorschreibt, was sie tun sollen oder nicht. Es werden Reize gesetzt und Optionen ermöglicht. Sporträume. Musikzimmer. Viele Kinder sind noch nie im Leben auf die Idee gebracht worden, ein Instrument in die Hand zu nehmen. Oder ein Buch abseits der Schule.

Und die Sozialkritiker schreien nach mehr Geld für Bildung. Dabei kostet Bildung gar nichts, wenn man sie wirklich anstrebt. Unsereins hat sich als Teenager in die Stadtbibliothek gesetzt und eine Welt entdeckt. Heute geht das sogar im Netz.

Christoph Kazmierczak: Nur eben nicht ohne Anstoß. Manchmal gehen die Betreuer mit den Kleinen auf einen Wochenmarkt und erklären: „Das ist ein Blumenkohl. Das ist Kohlrabi. Das sind Möhren mit Grün daran.“ Manche haben das Gemüse noch nie bewusst wahrgenommen oder eine Vorstellung davon, wo und auf welche Weise es wächst.
Claudia Smeets: Für ein Musikzimmer habe ich kürzlich mein Klavier gespendet, das ich seit dem 11. Lebensjahr bespielt habe. Man weiß nie, was alles so in einem Kind schlummert. Nichts lässt eine Seele mehr vertrocknen als eine anregungsarme Umgebung.
Christoph Kazmierczak: Wir erleben Fälle von Kindern, die zu Beginn kaum lesen konnten und nach der Leseförderung plötzlich die Bücher für sich entdeckt haben und zu begeisterten Leseratten wurden. Sie tauchen in diese Welten ab und blühen darin auf. Ja, es stimmt, materiell gesehen kostet Bildung nicht viel Geld. Die nötige Investition besteht in der Zeit, die Kinder dazu anzuregen und zu begleiten.

Gab es ein Schlüsselerlebnis zur Gründung des Vereins?

Christoph Kazmierczak: Ich habe die Kinderhelfer mit Herz gegründet, weil es mir weh tat zu sehen, wie wenig bei anderen Organisationen vom Geld bei den Bedürftigen ankommt. Nach einer ganzen Weile der Aufregung und Empörung dachte ich mir: Mach es doch selber. Mach es besser. Ich suchte nach Mitstreitern, die meine Auffassung teilen, und wir gründeten den Verein. Seither geht jeder Cent, der reinkommt, in die Förderung der Projekte. Kosten für Verwaltung, Sprit oder Bürobedarf zahlen wir aus eigener Tasche.

Wie hoch ist der Aufwand?

Christoph Kazmierczak: Es geht nicht immer um Millionen. Das sagen wir auch unseren potentiellen Spendern. Ein Frühstücksbeutel kostet die Kindertafel 50 Cent, ein Mittagessen einen Euro. Eine Spende von 30 Euro sichert einem Kind somit einen ganzen Monat Mittagessen. Mit all den unbezahlbaren positiven Erlebnissen, die daran hängen. Wir sind schnell, lokal und vollkommen unbürokratisch. Für die Kindertafeln bilden wir so was wie die Feuerwehr. Ruft uns eine Einrichtung an, der für die kommende Woche die Mittel ausgegangen sind, müssen sie bei uns keinen Antrag stellen. Wir überweisen das Geld sofort. Deswegen beschränken wir uns auch auf NRW. Vor der eigenen Haustür gibt es so viel zu tun, dass es Unsinn wäre, Hunderte von Kilometer quer durch ganz Deutschland zu eilen.

Wo ist die Not in NRW am größten? Im Ruhrgebiet?

Christoph Kazmierczak: Das denkt man, aber auch große, reiche Städte wie Düsseldorf oder Köln haben immense Armut. In Köln gibt es 20 Prozent Arbeitslosigkeit. Düsseldorf hat 16.000 Kinder, die in Armut oder an der Armutsgrenze leben.

Was ist eigentlich aus den guten, alten, kommunal betriebenen Jugendzentren geworden?

Christoph Kazmierczak: Die werden immer mehr geschlossen, weil dafür keine Gelder da sind. In solche Einrichtungen zu investieren, ist politisch nicht gewollt.

Wieso nicht?

Christoph Kazmierczak: Weil die Arbeit eines Jugendzentrums der Kommune keine zählbaren Erfolge liefern kann. Es hat keinen Glanz. Einen neuen Park oder irgendwelche Prestige-Projekte kann man vorzeigen und vermarkten. Daran sind die meisten Kommunen interessiert. Eine beständige Jugendbetreuung, die in langsamen Schritten dazu führt, dass ein Dutzend Kinder einen besseren Schulabschluss gemacht haben werden, ist nicht so klar zu fassen.


Kurzinterview mit Sarah Alles, Schirmherrin der Kinderhelfer mit Herz

„Eigentlich kann jeder irgendetwas machen.“

Berlin, 19.03.16. Die Schauspielerin Sarah Alles ist Schirmherrin der Kinderhelfer mit Herz. Bei einem frühlingshaften Treffen erzählt sie, warum.

Interview: Edda Bauer, Foto: Julia von der Heide

Wie sind Sie zu Kinderhelfer mit Herz e.V. gekommen?

Ich habe den Initiator Christoph Kazmierczak durch eine gemeinsame Freundin kennengelernt. Er hat mich schon allein dadurch beeindruckt, dass er tatsächlich alles selber macht, und das wirklich mit Herz. Der Verein heißt nicht ohne Grund so. Christoph sortiert und lagert zum Beispiel Kleiderspenden bei sich zu Hause, bis sie umverteilt werden. Er packt überall mit an, wo Tatkraft gebraucht wird. Ein richtiger Selfmademan.

Was können Sie als Schirmherrin tun?

Den Verein bekannter machen, so dass die Menschen wissen, wie sie helfen können. Das geht natürlich nur bei Projekten, hinter denen ich voll und ganz stehe. Besonders gefällt mir bei Kinderhelfer mit Herz e.V., dass alle Spenden gänzlich bei den Projekten ankommen. Es geht also nicht, wie bei manchen großen Hilfsorganisationen, ein Teil allein schon für die Verwaltung und Bürokratie drauf. Alles kommt restlos bei den Kindern an. Ich sehe meine Aufgabe als Schirmherrin auch darin, dass sich jemand durch mich aufgerufen fühlt, selbst Teil des Netzwerks an Helfern zu werden. So wie ich.

Wo packen Sie mit an?

Zum Beispiel bei meinem Kleiderschrank, in dem sich immer wieder Sachen finden, die ich nur ein paar Mal angezogen und dann vergessen habe. Da ich mit meinen 1,63 Meter ja nicht gerade riesig bin, gibt es einige Mädchen, denen meine Klamotten passen. Hin und wieder fahre ich auch nach Düsseldorf und Umgebung in Jugendeinrichtungen, um dort den Kindern vorzulesen. Das wird immer sehr dankbar angenommen.

Was springt für Sie bei der Sache heraus?

Das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun und helfen zu können, reicht mir völlig aus. Ein Haufen Spaß und tolle Erfahrungen begleiten mich dabei. Ich wollte mich schon früher sozial engagieren, wusste aber nicht wie. Meine Möglichkeiten erschienen mir zu gering. Ich glaube, so geht es vielen. Organisationen wie die Kinderhelfer mit Herz, die wirklich etwas bewegen, kann man auch mit kleinen Dingen unterstützen, sei es in Form von finanziellen Mitteln, Sachspenden oder indem man den Kindern gelegentlich seine Zeit widmet. Eigentlich kann jeder irgendetwas machen.


Zur Person

Christoph Kazmierczak ist diplomierter Betriebs- und Volkswirt sowie psychologischer Berater, Personal Coach und Experte für Körpersprache. Lange arbeitete er als Trainer für Führungskräfte und Manager, aber auch als Bewerbungsberater für Schüler und Studierende. Heute ist er in der Sicherheitsbranche tätig. Claudia Smeets arbeitet in der Eventorganisation sowie der Kunden- und Gästebetreuung, von 2011 bis 2014 etwa für das bedeutende ATP-Tennis-Turnier „Düsseldorf Open“. Christoph Kazmierczak lebt in Meerbusch, Claudia Smeets ist in der Landeshauptstadt ansässig.

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