Rebekka Reinhard
„KI ist weder ein Heilsbringer, noch eine nächste Katastrophe.“
Zur Person
Rebekka Reinhard wurde am 3. Dezember 1972 in München geboren. In Venedig studierte sie die Philosophie der griechischen Antike. An der FU Berlin erwarb sie den Doktortitel mit einer Arbeit über amerikanische und französische Gegenwartsphilosophie. Acht Jahre lang führte sie ehrenamtlich philosophische Gespräche mit stationären Patienten der Psychiatrie und Onkologie. Seit 2007 referiert sie international als Keynote Speakerin zu den Themen Leadership, Digitalisierung, Ethik und Diversity/Women Power. Sie schrieb mehrere Bestseller, wie etwa „Die Sinn-Diät“, zuletzt erschien „Die Kunst, gut zu sein„. Von 2019 bis Ende 2022 war Reinhard stellvertretende Chefredakteurin der Philosophie- Zeitschrift „Hohe Luft“ und konzipierte und hostete den reichweitenstärksten deutschen Sachbuch-Podcast „Was sagen Sie dazu?“ (für die Wissenschaftliche Buchgesellschaft wbg). Im Juli 2023 gründete sie das Magazin „human“ über Mensch und KI. Um in der Welt des Wandels gut zu bestehen, rät die gefragte Philosophin beständig zum Selbstdenken und zur Selbstermächtigung. Rebekka Reinhard lebt in München.
26. September 2023, München. Wegen des Oktoberfests tragen viele Menschen Tracht, auch in dem belebten Viertel, in dem Rebekka Reinhard wohnt. Der Eingang ist leicht zu übersehen, über eine schmale Holztreppe geht es in den dritten Stock. Die Philosophin begrüßt mit einer spontanen Umarmung, als wäre man eine langjährige Freundin. Weil seit der Pandemie die virtuellen Gespräche überhandgenommen haben, freut sie sich besonders über einen Dialog von „Mensch zu Mensch“. Aus einer Kanne dampft es, man habe hoffentlich Lust auf einen Tee? Das Gespräch kommt schnell in Gang, die Lebendigkeit und Wachheit einer Frau, die voller Neugier und Tatendrang steckt, sind ansteckend. Vor Kurzem hat Rebekka Reinhard ein neues Magazin auf den Markt gebracht, das sich der Künstlichen Intelligenz widmet. Die wir übrigens, wie sie meint, nicht fürchten sollten. Vielmehr böte sie Chancen auf eine bessere Welt.
Rebekka Reinhard, Sie haben mir den Weg zu Ihrer Wohnung beschrieben: Mir ist das wesentlich lieber, als mich von Künstlicher Intelligenz leiten zu lassen. Können Sie das nachvollziehen?
Für mich ist das keine Frage der Priorität. Ich beobachte an mir einen Prozess, in dem die KI eine Begleiterin wird, die ich zunehmend in mein Leben einbinde. Es hängt natürlich von mir ab, wie sehr ich damit experimentiere. Viele Anwendungen werden Teil einer Alltagsroutine.
Wie genau lässt sich die Beziehung definieren, die Menschen mit einer KI haben können?
Für mich eine der interessantesten philosophischen Fragen, auf die ich aktuell keine Antwort habe. Man muss ganz klar sagen: Es handelt sich nicht um einen Menschen; vor Anthropomorphisierung warne ich dringend. Dennoch nutzen viele das Pronomen „Er“, sie sagen dann beispielsweise: „Er hat mich in die falsche Richtung geführt.“ Also bitte, es ist ein System, es hat weder ein biologisches noch ein soziales Geschlecht, es ist kein Mensch, sondern ein „Es“. Man darf hier nicht der Gleichsetzung verfallen. Das wäre fatal, denn es macht uns anfällig für Manipulation. KI versteht uns niemals so, wie Menschen uns verstehen. Ich will damit nicht sagen, dass es ausgeschlossen sein könnte, dass KI-Systeme irgendwann ein menschliches Verständnis ausbilden, aber zum jetzigen Zeitpunkt und bis auf Weiteres ist das wohl nicht der Fall.