Sahra Wagenknecht

Sahra Wagenknecht

„Man muss den Zweifel zulassen.“

Fotos
  • Nils Stelte
Leserbewertung

Zur Person

12. November 2021, Merzig im Saarland. Eigentlich wäre heute ein Berlin-Tag. Doch Sahra Wagenknecht ist krankgeschrieben und zu Hause, eine Magen-Darm-Geschichte. Sie hält ihre Zusage für das Interview trotzdem ein; wir telefonieren zur Mittagsstunde. Es gehe ihr, wie sie berichtet, schon ein bisschen besser, sie habe die ganze Woche viel geschlafen, so viel wie schon lange nicht mehr. Von ihrem Lesesessel aus, zwischen zwei Bücherwänden, fragt sich die Linken-Politikerin, was eigentlich los ist in diesem Land. Als die Sprache auf ihre Kindheit kommt, geht es um viel Schmerz, um die Hänseleien ihrer Mitschüler, um den Verlust des Vaters. So unnahbar sie oft in Talkshows wirkt, so nahbar ist sie im Gespräch. Kein Versteckspiel hinter Phrasen und Parolen.

Sahra Wagenknecht, sind Sie damit einverstanden, Sahra Wagenknecht zu sein?

Im Großen und Ganzen schon. Wobei ich mich natürlich manchmal gefragt habe, ob dieser Weg in die Politik der richtige war; er war nicht vorgezeichnet. Diejenigen, die mich aus der Kindheit kennen, sagen, sie hätten sich für mich alles Mögliche vorstellen können. Dass ich wissenschaftlich arbeite oder Autorin werde, aber nie und nimmer, dass ich in die Politik gehe. Bevor ich mit 35 Jahren hauptamtlich Politikerin wurde, war ich ja freiberufliche Publizistin. Ich bin jemand, der lieber am Schreibtisch arbeitet oder ein Buch liest als in einer Gremiumssitzung zu sitzen. Und das ist nicht gerade ein Vorzug, der einen zum Politiker disponiert.

Dennoch haben Sie sich dafür entschieden.

Weil ich das Gefühl hatte, es reicht nicht, nur nachzudenken und aufzuschreiben, sondern dass es auch darum geht, etwas zu verändern, etwas zu bewirken, Menschen für eine Position zu gewinnen. Ich kann immer noch nicht sagen, ob ich als Politikerin mehr erreichen kann oder ob ich als Ökonomin oder Buchautorin etwas schaffen könnte, was einen viel bleibenderen Wert hätte. Mein Burn-out damals entstand auch deshalb, weil ich das Gefühl hatte, dass ich zu wenig bewege.

Ab hier lesen nur GALORE-Abonnenten kostenlos weiter! Eines der vielen Abo-Extras.