Parag Khanna

Parag Khanna

„Ich stehe für die Ordnungsgesellschaft.“

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  • Amrita Chandradas
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26. März 2021, Singapur. Der Politikberater und Globalisierungsexperte Parag Khanna erscheint auf die Minute genau im Konferenzfenster. Preußische Zuverlässigkeit eines Kosmopoliten, dessen biografische und berufliche Stationen bei jedem Skeptiker des grenzenlosen Establishments die Stresshormone überschießen lassen. Der Interviewer im rund 10.300 Kilometer entfernten Münsterland verabredet daher, im Gespräch die Position des Heimatverbundenen einzunehmen, der Globalismus nicht als alternativlose Sichtweise betrachtet und Sesshaftigkeit nicht als Sünde. In der Konfrontation zerbersten Klischees, Vorerwartungen und Bedeutungen falsch aufgeladener Begriffe. Sie geben den Blick frei auf einen dritten Weg, mit dem die Welt sich ganz neu fassen lässt.

Parag Khanna, sehen Sie sich eher als Analyst oder als Aktivist des Wandels? Zwar fehlt dem Titel Ihres aktuellen Buches „Move“ ein Ausrufezeichen, doch ließe sich das Wort dennoch ebenfalls als Imperativ lesen. Wäre es einer, könnte jemand mit einer anderen Sicht auf die Welt eine Gegendarstellung schreiben mit dem Titel: „Stay“.

Dieser Begriff erinnert an den Slogan der Brexit-Befürworter und vielleicht ist die Lehre aus dem Brexit die, dass die Welt sich eben nicht so einfach in zwei Entscheidungen wie „move“ oder „stay“ aufteilen lässt. Bei mir geht es um die Möglichkeit, dass die Leute ständig in Bewegung sein werden, in alle Richtungen. Nicht darum, dass sie nur einmal einen Weg einschlagen und dann am Ziel verharren. Es geht um den globalen Kreislauf von Menschen und ihre Verhaltensmuster, um die neue Umverteilung der Menschheit. Als Amerikaner oder Europäer haben viele natürlich einen anglozentrischen oder eurozentrischen Blick. Man neigt zu dem Bild: „Oh, oh! Die kommen auf uns zu!“ Ich belege in meinem neuen Buch hingegen: Der größte Bewegungsraum der Menschheit ist jener der ehemaligen Sowjetunion. Danach folgt die asiatische Brücke, also die Ströme innerhalb Asiens. Erst später findet sich Europa und dessen Herausforderungen angesichts nordafrikanischer Migration. Selbstverständlich gehen Sie davon aus: Es geht um uns. Doch betrachtet man die globalen Bewegungsmuster, sind Sie eigentlich statistisch nebensächlich.

Sie sagen, wir unterliegen einem Bias, einer kognitiven Verzerrung?

In Europa haben Sie doch auch den Eindruck, der Populismus sei eine politische Pest, die gerade die gesamte Welt befällt, oder? Das ist er nicht! Die große Mehrheit der Bevölkerung auf diesem Planeten lebt in pragmatischen Staaten. Sie mögen derzeit Populismus erfahren, in Ungarn, Polen oder Italien. Dem Rest der Welt ist das eigentlich herzlich egal.

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