
Josef Aldenhoff
„Es ist uns nicht geheuer, wenn sich unsere Seele bemerkbar macht.“
Zur Person
Josef Aldenhoff wurde 1948 in Dresden geboren und wuchs seit seinem dritten Lebensjahr in München auf. Er wollte eigentlich Chirurg werden, aber dann hat ihm das Sprechen mit den Menschen besser gefallen. Nach der Ausbildung in Neurobiologie, Psychiatrie und Psychotherapie begann er seine ärztliche Laufbahn am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München und am Bezirkskrankenhaus Kaufbeuren. Nach verschiedenen Stationen in Deutschland und den USA wurde er 1995 als Professor für Psychiatrie und Psychotherapie, als Klinikdirektor und medizinischer Geschäftsführer an eine Klinik nach Kiel berufen, wo er über die Jahre bis zu seiner Emeritierung eine alle wesentlichen psychiatrischen Störungen behandelnde Versorgungsklinik aufbaute. Seit 2004 leitete er als Medizinischer Geschäftsführer in Hamburg das Pilotprojekt einer universitären gGmbH, mit wirtschaftlichem wie inhaltlichem Gewinn, aber auch der klaren Erkenntnis, dass der Sinn der Medizin die Behandlung, Erforschung und – mit Glück – Heilung menschlicher Krankheiten ist. Da er sich mit dieser Auffassung in einer Minderheitenposition befand, ist er im April 2012 in den vorzeitigen Ruhestand gegangen und behandelt seitdem Patienten, berät Kollegen und Kliniken und schreibt Bücher. „Bin ich psycho... oder geht das von alleine weg?“ erschien im Frühjahr 2014.
06.05.2014, Hamburg. Gespräche mit dem Psychiatrie-Professor Josef Aldenhoff sind ein Fest, denn mit ihm werden komplexeste psychologische Zusammenhänge plötzlich enorm greif- und nachvollziehbar. Denn wir alle haben uns sicher schon mal gefragt, ob die kleine Macke, die wir haben, normal ist, oder doch mal der Fachmann draufschauen sollte. Aber traut man sich? Und was, wenn die Störung einen so sehr beeinflusst, dass der Lebensmut schwindet und ein Ausweg in weiter Ferne scheint? So wird dieses Gespräch eine kleine unterhaltsame Therapiestunde über Behandlungsmöglichkeiten bei Depressionen, Burnout-Prophylaxe und Selbsterkenntnis.
Herr Prof. Dr. Aldenhoff, wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass jeder von uns im Laufe seines Lebens an einer psychischen Störung leiden wird?
Josef Aldenhoff: 40 Prozent aller Menschen haben mindestens einmal im Leben eine Depression, Angsterkrankungen liegen bei rund 20 Prozent, wenn Sie noch seltenere Störungen und das gemeinsame Auftreten dazu nehmen, dann kommen Sie auf rund 50 Prozent. Also jeder Zweite, was aber nicht bedeutet, dass jeder Zweite auch professionelle Hilfe braucht.
Und wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese Störung weggeht oder ich sie ohne therapeutische Hilfe in den Griff bekommen kann?
Das hängt von ihnen und ihren persönlichen Fähigkeiten ab. Wenn Sie gelernt haben, mit sich und Ihren Gefühlen gut umzugehen, sich Zeit zu nehmen, wenn Sie sie brauchen, dann sind Ihre Chancen besser, als wenn Sie das alles nicht können.