Barbara Bleisch
„Philosophie muss man aushalten.“
Zur Person
Barbara Bleisch (geboren 1973 in Basel) ist Philosophin, Autorin, Journalistin und Mitglied des Ethik-Zentrums der Universität Zürich. Ihr Studium der Philosophie absolvierte sie in Zürich, Basel und Tübingen, in ihrer Promotion widmete sie sich dem Thema „Weltarmut und individuelle Verantwortung“. Barbara Bleisch schreibt für den Tages-Anzeiger eine feste Kolumne und war lange Jahre freie Mitarbeiterin der NZZ. Seit 2010 moderiert sie die erfolgreiche Gesprächssendung „Sternstunde Philosophie“ beim Schweizer Radio und Fernsehen SRF. Barbara Bleisch ist zweifache Mutter und lebt mit ihrer Familie in Zürich.
08. April 2020. Als Moderatorin der Sendung „Sternstunde Philosophie“ holt sich Barbara Bleisch die großen Denker der Gegenwart ins Fernsehstudio, um mit ihnen über Fragen der Zeit oder den Ursprung der Welt zu sprechen. Was lässt ein Gespräch gelingen? Wie schafft man es, dass sich jemand vor der laufenden Kamera öffnet? Im Interview erzählt die Schweizerin über Menschen und Momente, die ihr besonders in Erinnerung geblieben sind. Sie verrät, welche Denker der Geschichte sie gerne einmal getroffen hätte und welche philosophische Frage sie aktuell am meisten beschäftigt.
Frau Bleisch, auf Ihrer Homepage schreiben Sie, Philosophie sei „riskantes Denken“. Was hat es damit auf sich?
Philosophie ist die Kunst der vorbehaltlosen Infragestellung. Sie kann ohne sichere Gewissheiten auf die Welt blicken, auf Thesen, auf Argumente – und damit Vieles neu denken. Das finde ich extrem reizvoll. Und riskant ist das Ganze deswegen, weil wir im Leben Sicherheiten benötigen.
Ein Risiko hat ja zwei Seiten. Was gibt es zu verlieren, was zu gewinnen?
Die Philosophie kann unsere Selbstvergewisserung und unsere Glaubenssysteme ins Wanken bringen. Deshalb hat sie das Potenzial, einerseits Neuland zu schaffen und uns andererseits zu verunsichern. Manchmal bin ich daher zögerlich, wenn gesagt wird, die Philosophie habe gerade Konjunktur, weil wir in einer säkularen Gesellschaft leben, die neue Sinnstiftungshorizonte braucht und dass die Philosophie diese Lücke füllen könnte. Wenn ich nämlich sage, Philosophie sei riskantes Denken, dann würde ich mich dieser Deutungsfunktion verweigern. Ich glaube, Philosophie kann schon Trost spenden. Es ist aber nicht ihr erstes Anliegen, einen Sinnstiftungshorizont zu bieten. Philosophie stellt vielmehr in Frage. Insofern kann sie eben auch gefährdend sein. Philosophie muss man aushalten.