
Wolf Biermann
„Man quälte seine Feinde und wurde dafür noch von den Frauen bewundert.“
Zur Person
Wolf Biermann kam am 15.11.1936 in Hamburg zur Welt, sein Vater, ein Jude und KPD-Mitglied, wurde 1943 in Auschwitz ermordet. 1953 siedelte Biermann in die DDR über, machte dort sein Abitur und begann ein Studium der Politischen Ökonomie, das er aber zugunsten seiner Regie-Arbeit am Berliner Ensemble abbrach. Ab Anfang der 60er entstanden erste Lieder und Gedichte. 1963 wurde sein Theaterstück »Berliner Brautgang« über den Bau der Berliner Mauer noch vor der Uraufführung verboten und das Theater geschlossen. Er erhielt ein erstes Auftrittsverbot von einem Jahr, ab 1965 wurde es ihm generell verboten, in der DDR aufzutreten oder Werke zu veröffentlichen (diese erschienen dafür dann im Westen). Das Verbot hielt elf Jahre an, bis man ihm nach einem Gastspiel im Westen die Wiedereinreise in die DDR verwehrte – so wurde er zum ostdeutschen Flüchtling wider Willen. Die Kunst- und Kulturszene Deutschlands und Frankreichs fing ihn auf, seine Texte und Lieder wurden in der Folge immer politischer; seine Abkehr vom Kommunismus als Gesellschaftsideal vollzog sich indes erst lange nach der Wiedervereinigung. Biermann hat neun leibliche Kinder von vier Frauen, sein Adoptivsohn Manuel Soubeyran verstarb 2022. Biermann lebt nun wieder in seiner Geburtsstadt Hamburg.
30.03.2007, Hamburg. Wolf Biermann empfängt in seinem Haus in Hamburg-Altona. Er will an diesem schönen Tag noch an die Ostsee, nimmt sich aber fast drei Stunden Zeit und versäumt es nicht, auf einige ungewöhnlicher Möbelstücke mit langer Geschichte hinzuweisen.
Herr Biermann, Sie haben trotz Schikanen, Bespitzelung und Berufsverbot lange Zeit darauf bestanden, in der DDR zu bleiben. Dabei wären die Machthaber Sie liebend gerne losgeworden, der Westen hätte Sie mit offenen Armen empfangen. Warum wollten Sie unbedingt in der Diktatur bleiben?
Wolf Biermann: Weil ich so schön spezialisiert war auf den Streit mit den stalinistischen Unterdrückern in der rotgetünchten Diktatur. Und es ging mir auch gut, weil ich dabei in einer privilegierten Lage war. Ich war ja schon kein Nobody mehr. Ich hatte das unverschämte Glück, dass die zuständigen Obergenossen in der SED in den ersten entscheidenden Jahre versäumt hatten, mich zu stoppen. Ich fing 1960 an, Lieder und Gedichte zu schreiben. Hätten die mich gleich zu Beginn meines Schaffens in den VEB-Knast geschickt, wäre ich dort kaputt gegangen und kein Hahn hätte nach mir gekräht. Aber ich fing ganz sachte an, weil ich selber noch so sachte war. Unkonventionelle Chansons schrieb ich damals, grauhumorige Kinderverse, politische Spottlieder. Meine kritischen Widerworte waren damals für die Herrschenden noch im grünen Bereich.
Wussten Sie damals, wo der endet?
Keine Spur. Ich habe naiv immer genau das gesagt und gesungen, was ich dachte. Manchmal wurde ein Lied verboten, dann wieder mal nicht. 1965 kam das totale Auftrittsverbot. Vier Jahre vorher hatte ich noch im Prenzlauer Berg das Berliner Arbeiter- und Studententheater b.a.t. gegründet, das man aber schon 1963 verboten hatte. Damit fing eigentlich alles an. Ich habe mich vom Theaterspielen zum Liedermachen und Gedichteschreiben abdrängen lassen. Es blieb mir, wie man damals in Ostberlin sagte, „gar nichts walter ulbricht“. Die Obrigkeit nahm mir die Kanone Theater weg, und ich verlegte mich auf leichte Handfeuerwaffen. Und das erwies sich als effektiver. So wurde ich überhaupt erst „der Biermann“. Die Lieder verbreiteten sich viel intensiver, als es ein absetzbares Theaterstück je geschafft hätte. Als die SED das merkte, war ich schon zu bekannt, als dass sie mich noch so einfach hinter Gitter nach Bautzen hätten schicken können. Die politische Kosten-Nutzen-Rechnung ging nicht mehr auf.