Wolf Biermann

Wolf Biermann

„Man quälte seine Feinde und wurde dafür noch von den Frauen bewundert.“

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  • Thomas Schloemann
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Zur Person

30.03.2007, Hamburg. Wolf Biermann empfängt in seinem Haus in Hamburg-Altona. Er will an diesem schönen Tag noch an die Ostsee, nimmt sich aber fast drei Stunden Zeit und versäumt es nicht, auf einige ungewöhnlicher Möbelstücke mit langer Geschichte hinzuweisen.

Herr Biermann, Sie haben trotz Schikanen, Bespitzelung und Berufsverbot lange Zeit darauf bestanden, in der DDR zu bleiben. Dabei wären die Machthaber Sie liebend gerne losgeworden, der Westen hätte Sie mit offenen Armen empfangen. Warum wollten Sie unbedingt in der Diktatur bleiben?

Wolf Biermann: Weil ich so schön spezialisiert war auf den Streit mit den stalinistischen Unterdrückern in der rotgetünchten Diktatur. Und es ging mir auch gut, weil ich dabei in einer privilegierten Lage war. Ich war ja schon kein Nobody mehr. Ich hatte das unverschämte Glück, dass die zuständigen Obergenossen in der SED in den ersten entscheidenden Jahre versäumt hatten, mich zu stoppen. Ich fing 1960 an, Lieder und Gedichte zu schreiben. Hätten die mich gleich zu Beginn meines Schaffens in den VEB-Knast geschickt, wäre ich dort kaputt gegangen und kein Hahn hätte nach mir gekräht. Aber ich fing ganz sachte an, weil ich selber noch so sachte war. Unkonventionelle Chansons schrieb ich damals, grauhumorige Kinderverse, politische Spottlieder. Meine kritischen Widerworte waren damals für die Herrschenden noch im grünen Bereich.

Wussten Sie damals, wo der endet?

Keine Spur. Ich habe naiv immer genau das gesagt und gesungen, was ich dachte. Manchmal wurde ein Lied verboten, dann wieder mal nicht. 1965 kam das totale Auftrittsverbot. Vier Jahre vorher hatte ich noch im Prenzlauer Berg das Berliner Arbeiter- und Studententheater b.a.t. gegründet, das man aber schon 1963 verboten hatte. Damit fing eigentlich alles an. Ich habe mich vom Theaterspielen zum Liedermachen und Gedichteschreiben abdrängen lassen. Es blieb mir, wie man damals in Ostberlin sagte, „gar nichts walter ulbricht“. Die Obrigkeit nahm mir die Kanone Theater weg, und ich verlegte mich auf leichte Handfeuerwaffen. Und das erwies sich als effektiver. So wurde ich überhaupt erst „der Biermann“. Die Lieder verbreiteten sich viel intensiver, als es ein absetzbares Theaterstück je geschafft hätte. Als die SED das merkte, war ich schon zu bekannt, als dass sie mich noch so einfach hinter Gitter nach Bautzen hätten schicken können. Die politische Kosten-Nutzen-Rechnung ging nicht mehr auf.

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