Thomas Middelhoff
„Man kann nicht Unsummen verdienen und menschliche Wärme erwarten.“
Zur Person
Dr. Thomas Middelhoff (geboren am 11.05.1953 in Düsseldorf als Kind einer sehr katholisch geprägten Familie) war von 1998 bis 2002 Vorstandsvorsitzender des Medienkonzerns Bertelsmann AG und über viele Jahre Mitglied in Aufsichtsräten und Boards internationaler Konzerne. 2004 wurde er zunächst zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates der KarstadtQuelle AG bestellt und übernahm im Mai 2005 deren Vorstandsvorsitz, um das Unternehmen zu retten. Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise wurde Middelhoff im März 2009 als Vorstandsvorsitzender abgelöst. Im November 2014 wurde Middelhoff vom Landgericht Essen wegen Untreue und Steuerhinterziehung zu einer Haftstrafe von drei Jahren verurteilt und wegen Fluchtgefahr sofort inhaftiert. Nach fünf Monaten kam er auf freien Fuß. 2015 stellte er Antrag auf Privatinsolvenz. Während seiner Haftzeit schrieb er das Buch „A115 – Der Sturz“. Im August 2019 erscheint sein zweites Buch „Schuldig. Vom Scheitern und Wiederaufstehen“. Er lebt mittlerweile in Hamburg.
10. Juli 2019, Hamburg. Während mein Gastgeber nebenan Kaffee zubereitet, fällt mein Blick auf ein großformatiges Foto, das gerahmt an der Wand in der Bibliothek von Thomas Middelhoff hängt. Eine Gruppe von rund 30 Menschen, überwiegend Männer, gekleidet leger mit Polohemden und khakifarbenen Hosen. Auf den ersten Blick denkt man an das Erinnerungsfoto von einem Klassentreffen. Dann liest man die Namen, die neben jeder Person stehen: Bill Gates, Steve Jobs, Jeff Bezos, Warren Buffett, Michael Bloomberg, Mark Zuckerberg – ein Treffen der mächtigsten und reichsten Wirtschaftslenker und Unternehmer der Welt. Auf einen Baumstumpf neben Jobs und Bezos hockt Thomas Middelhoff, der einzige Deutsche auf dem Gruppenbild. Es wirkt unwirklich, als dieser Mensch dann den Raum betritt und Kaffee serviert. Es entwickelt sich ein Gespräch um dieses Foto, um seinen beispiellosen Absturz und die Haft, über Macht und Gier, Schuld und Buße.
Herr Dr. Middelhoff, was antworten Sie, wenn man Sie fragt, welchen Beruf Sie heute ausüben?
Autor und Vortragsreisender im Bereich Menschen und Kapital. Manchmal kommt es aber auch vor, dass ich ganz faul sage: Pensionär.
Viele denken, Sie seien vom Himmel in die Hölle gekommen. Sie nennen Ihr neues Buch genau umgekehrt: „Von der Hölle in den Himmel“. Warum?
Anfangs war es so, dass ich tatsächlich das Gefühl hatte, ich sei vom Himmel in die Hölle gefahren. Mit dieser Betrachtungsweise habe ich auch meine fünf Monate im Gefängnis verbracht. Danach setzte ein Bildungsprozess ein. Als ich aus der Haft entlassen wurde, erhielt ich eine Einladung der Universität Innsbruck zu einem Vortrag. Man schlug mir als Thema „Vom Himmel in die Hölle“ vor, was ich naheliegend fand. Aber je länger ich mich mit dem Vortrag beschäftigte, desto stärker habe ich mir die Frage gestellt: Ist das eigentlich wirklich die richtige Themenstellung, beschreibt das meine Entwicklung? Den Vortrag habe ich dann beendet mit der Feststellung, wahrscheinlich sei es in meinem Fall so, dass ich aus der Hölle in den Himmel gelangt sei – oder zumindest auf dem guten Weg dorthin sei.