Thomas Drake

Thomas Drake

„Snowden inspiriert zu haben ist etwas, wofür Worte nicht ausreichen.“

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22.06.2014, Berlin. Wir treffen den Whistleblower Thomas Drake, ein direktes Vorbild von Edward Snowden, zum Frühstück. Bald steht die Zeit still: Erlebnisse seiner Vergangenheit als hochrangiger NSA-Mitarbeiter werden lebendig und bewegen dadurch zeitlose Fragen. Was bedeutet Freiheit und was ist ihr Preis? Wer nutzt Macht wie? Ist Privatsphäre verhandelbar? Und gibt es das Böse? Ein hagerer Mann, in Begleitung seiner Rechtsanwältin Jesselyn Radack, ohne die er heute keine Lichtgestalt der gesellschaftlichen Aufklärung wäre, sondern im Gefängnis. Eine Begegnung mit einem Menschen, der sich grober, illegaler Macht aus Überzeugung widersetzt, auch wenn sie von der Regierung ausgeht, für die er arbeitet.

Mr. Drake: Angenommen, Sie könnten ein Abendessen veranstalten und jeder Mensch, der jemals lebte, nimmt ihre Einladung an. Wer isst mit ihnen?

Thomas Drake: Galileo, weil er so mutig war und sich von der allmächtigen Kirche nicht einschüchtern ließ. Ich habe eine große Schwäche für Menschen, die Autoritäten herausfordern und die konventionelle Sicht der Dinge in Frage stellen. Auf jeden Fall Edward Snowden. Dann Nathan Hale, der von den Briten in Zeiten des Aufstandes für „Spionage“ gehängt wurde. Außerdem Robin Hood. Ich lebte sechs Jahre in England, er ist viel mehr als eine mythische Figur, er hat einen König zu Fall gebracht. Und Jeanne d´Arc und Martin Luther King Jr.. Ich muss häufig an ihn denken, was er zur Zeit der Bürgerrechtsbewegung sagte. So viel aus dieser dunklen Zeit trifft heute noch zu.

Sie trafen Edward Snowden persönlich und gelten als eines seiner größten Vorbilder. Welchen Eindruck haben Sie von ihm?

Es war das aufwändigste Treffen meines Lebens. Allein wie wir im Oktober 2013 ins Moskauer Umland gelangten, ist eine Geschichte für sich. Aber es gelang. Zusammen mit Jesselyn Radack, die seine legale Vertretung in den USA ist, sowie zwei ehemaligen CIA-Mitarbeitern waren wir die ersten Besucher von außerhalb. Es war unglaublich, denn er hatte ja erst wenige Monate zuvor eine weltweite Debatte losgetreten. Jahrelang hatte ich auf jemanden wie ihn gehofft – und dann steige ich ins Flugzeug, um ihn kennenzulernen. Er ist wahnsinnig gelassen, wenn man bedenkt, was er durchmacht. Sein Hauptinteresse ist, ob seine Handlungen einen Unterschied in der Welt ergeben. Ich kann nicht vergessen wie es war, ihm das erste Mal persönlich in die Augen zu sehen. Er ist lebende Geschichte! Er kannte meinen Fall bestens und hat an meinem Beispiel gesehen, dass er unbedingt das Land verlassen, alle Dokumente mitnehmen und diese am besten weitergeben muss. Seit meiner Gerichtsverhandlung wurden Gesetze geändert, mit denen er von der Straße geholt werden kann und keinen Rechtsanwalt hätte sprechen dürfen.

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