Mike Hulme
„Die Auseinandersetzung mit einer sich anbahnenden Klima-Apokalypse hält man als normaler Mensch auf lange Sicht nicht aus.“
Zur Person
Mike Hulme, geboren 1960 in London, ist ein englischer Klimaforscher. Er studierte Geografie an der University of Durham und promovierte 1986. 2000 wurde er Gründungsdirektor des Tyndall Centre for Climate Change Research, eines universitären Forschungsverbunds. 2002 wurde Hulme zum Professor of Environmental Science an der University of East Anglia in Norwich ernannt. Er ist Mitverfasser des „Hartwell Paper“, eines Manifestes internationaler Experten, das für die Neuausrichtung der Klimapolitik plädiert. Mit seinem 2009 erschienen Buch „Why We Disagree About Climate Change“ (dt.: „Streitfall Klimawandel“) stieg er zu einem der weltweit meistzitierten Wissenschaftler auf dem Gebiet der Klimaforschung auf. Hulme beschreibt in dem als Schlüsseltext zum Verständnis der Klimadebatte angesehenen Werk, den Klimawandel nicht nur als rein wissenschaftliches Phänomen, sondern als Medienspektakel, Zankapfel verschiedener Regierungen und Lobbyisten und nicht zuletzt als kulturelle Herausforderung.
24.06.2014, Berlin. Die Stratum Lounge liegt etwas versteckt im Hinterhof eines Altbaus in Friedrichshain. In einem schlichten Vortragsraum treffen wir Professor Mike Hulme zum Gespräch. Er trägt helle Stoffhosen, ein legeres Sakko, wirkt entspannt. Am Abend wird der renommierte englische Klimaforscher sein Buch „Streitfall Klimawandel – Warum es für die größte Herausforderung keine einfachen Lösungen gibt“ vorstellen. Es ist ein aufklärerischer, bahnbrechender und kritischer Beitrag zur Klimadebatte, in dem Hulme über den wissenschaftlichen Tellerrand blickt und den globalen Konflikt aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet.
Professor Hulme, ist Klimawandel und wie wir darüber sprechen und denken eine Art moderner Religion, eine Frage des Glaubens?
Mike Hulme: Man könnte es so ausdrücken. Die Einstellung und Haltung vieler Menschen zum Klimawandel ist durchaus eine Frage des Glaubens. Es ist eine andere Sache, ob man Glauben dabei in eine direkte Beziehung zur Religion setzen muss. Das würde ich nicht sagen. Was den Glauben angeht, braucht man sich aber nur die Arbeit von Wissenschaftlern anzuschauen. Sie konstruieren in vielfacher Hinsicht bestimmte Formen des Glaubens, die auf Beweisbarkeit, Rationalität oder Experimenten gründen.
Können Sie das näher erläutern?
Wenn man Glauben in diesem weiten Sinne versteht, wie sich Gedanken formen und daraus Wissenschaft entsteht, dann ist eben auch der Klimawandel eine Frage des Glaubens. Unterschiedliche Leute können unterschiedliche Beweislinien in ihren Betrachtungen heranziehen und diese verknüpfen sie mit unterschiedlichen Wertesystemen, kulturellen Traditionen und so kommen sie im Ergebnis zu verschiedenen Schlussfolgerungen. Wenn man so will, formt dieser Prozess unterschiedliche Glaubenssysteme. Auch in Bezug auf den Klimawandel.