
Marina Weisband
„Politik zu machen, schadet einer politischen Karriere.“
Zur Person
Die am 4. Oktober 1987 geborene Marina Weisband ist in einer jüdischen Familie in Kiew aufgewachsen. Ihr Vater Igor Weisband war Programmierer, ihr Großvater David Weisband diente während des Zweiten Weltkriegs als Oberst der Roten Armee. Weisbands Geburtsort liegt im Umkreis des 1986 verunglückten Atomreaktors von Tschernobyl, schon als Kind hatte sie – mutmaßlich wegen der Strahlenbelastung – mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. 1994 zog die Familie im Rahmen der Regelung für sogenannte jüdische Kontingentflüchtlinge nach Deutschland um. Weisband absolvierte ihr Abitur in Wuppertal und ging zum Studieren nach Münster. Seit 2013 ist sie Diplom-Psychologin. Von 2011 bis 2012 war sie politische Geschäftsführerin der Piratenpartei, mittlerweile engagiert sie sich als Politikerin bei den Grünen in den Bereichen Digitalisierung und Bildung. Seit 2014 leitet Weisband das Schülerbeteiligungsprojekt „aula“ und ist außerdem Autorin mehrerer Sachbücher. Zusammen mit Mann und Tochter lebt sie in Münster.
18. April 2024, Berlin / Münster. Irgendwann im Laufe des Gesprächs erzählt die Politikerin und Publizistin Marina Weisband, dass sie schon seit Jahren vor allem über das Thema Bildung sprechen möchte, aber bis dato kaum Gehör gefunden hat. Sicher, die frühere politische Geschäftsführerin der Piratenpartei, die sich inzwischen bei Bündnis 90/Die Grünen engagiert, war zuletzt viel in den Medien präsent – allerdings meist als ukrainische Stimme, die zu entschlossener Hilfe gegen Russland aufruft. Jetzt hat Weisband ein Buch mit dem Titel „Die neue Schule der Demokratie“ geschrieben, in dem es um die Beteiligung von Schülerinnen und Schülern und letztlich um eine gemeinschaftlichere Gesellschaftsform geht. Höchste Zeit also, auch mal das Thema Bildung anzugehen.
Marina Weisband, lassen Sie uns über Schultoiletten sprechen. Was ist Ihre Erinnerung an die Schulklos der Jugend?
Ich habe generell keine sehr positiven Erinnerungen an Schule, die Toiletten sind da keine Ausnahme. Sie sahen exakt so aus wie jede einzelne Schultoilette, die ich heute besuche, wenn ich deutschlandweit an Schulen unterwegs bin. Es gibt nie Klopapier, nie einen Handtuchspender. Wenn man Glück hat, gibt es Seife. Schulklos machen deutlich, welchen Stellenwert dieses Land seiner Bildung einräumt.
Stimmt, die meisten sind Orte des Grauens, fast wie Schottlands dreckigste Toilette aus dem Film „Trainspotting“. Allerdings haben Sie eine interessante Theorie zum Vandalismus, der dort gewohnheitsmäßig stattfindet …
Dieser Vandalismus wird ja meist als etwas Schlechtes geframt, ich glaube aber, dass die Schultoilette tatsächlich der letzte Ort der Schule ist, an dem junge Menschen ungestört gestalten können. Der Vandalismus ist hier Ausdruck des inhärenten menschlichen Bedürfnisses, die eigene Handschrift zu hinterlassen. Ich vergleiche das mit einem Kleinkind, das die Klötzchen eines Turms umschmeißt, weil es noch keinen bauen kann, aber möchte, dass seine Handlung etwas verändert. Wenn man Schülerinnen und Schülern keinen produktiven Weg anbietet, wie sie ihr Umfeld gestalten können, dann gestalten sie es negativ. Aus dem gleichen Grund ritzen sie ihren Namen in den Tisch.