Linda Zervakis
„Ich habe keine Berührungsängste.“
Zur Person
Linda Zervakis kam 1975 in Hamburg als Kind griechischer Gastarbeiter zur Welt und verbrachte ihre Jugend bereits früh als regelmäßige Aushilfe im Kiosk der Eltern. Nach dem Abitur machte sie ein Praktikum bei der Werbeagentur BBDO, die sie später als Texterin übernahm. Sie arbeitete als Volontärin bei verschiedenen Hörfunk- und TV-Produktionsfirmen und wechselte 2001 zum NDR, zunächst als Redakteurin, später als Radio-Nachrichtensprecherin. Ab 2004 stand sie für den NDR vor der Kamera, anfangs für das „Schleswig-Holstein Magazin“, seit 2006 für die Tagesschau-Nachrichten auf tagesschau24. Seit 2013 ist sie Sprecherin der 20-Uhr-„Tagesschau“. Linda Zervakis hat einen Sohn und eine Tochter und lebt mit ihrer Familie in Hamburg.
17.09.2015, Hamburg. Zehn Uhr morgens in einer kleinen Bar im Hamburger Grindelviertel nahe der Uni. Linda Zervakis hat sich viel Zeit genommen für Fotos und Gespräch, um einen Eindruck zu untermauern, der durch die Veröffentlichung ihrer Kindheitserinnerungen mit dem Titel „Königin der bunten Tüte“ entstanden ist: Die in der „Tagesschau“ stets extrem seriös wirkende Frau ist in der direkten Begegnung eine sehr lustige und unkomplizierte Person. Fast vier Stunden steht sie für Fotos und Interview zur Verfügung. Am Ende hat man das Gefühl, eine ganz andere Linda Zervakis kennengelernt zu haben: eine moderne Frau mit griechischem Temperament, deutschen Idealen und einer gelungenen Balance zwischen Mutterschaft und Schichtdienst.
Frau Zervakis, Ihren Eltern gehörte früher ein Kiosk hier in Hamburg. Für unsere Fotosession hatten wir versucht, als Requisit eine bunte Tüte zu besorgen, waren in zahlreichen Kiosken und haben keine gefunden. Wieso sterben die bunten Tüten aus?
Linda Zervakis: Die Kiosk-Landschaft stirbt allgemein aus, weil die Leute heute zu jeder Zeit in den Supermärkten einkaufen gehen können. Wir leben in einer Discount-Gesellschaft, da stellt man sich schnell die Frage: Warum zum Kiosk gehen, wenn ich es im Supermarkt billiger bekomme? Die gelockerten Ladenschlusszeiten waren auch der Grund dafür, dass unser Kiosk irgendwann nicht mehr gut lief. Unsere Kernzeit war stets die nach dem Ladenschluss um 18 Uhr.
Wäre die bunte Tüte da nicht gerade ein gelungenes Alleinstellungsmerkmal für die Kioske?
Vielleicht sind die Jugendlichen auch einfach gefräßiger geworden und greifen gleich zur 150-Gramm-Packung Fruchtgummi. (lacht) Ich vermisse das auch sehr, die Königin zu sein, die ganz alleine entscheiden kann, was sie in ihrer bunten Tüte haben will. Es ist doch so schön, wenn man Lust auf Lakritz hat, aber gleichzeitig auch auf eine saure Pommes oder einen süßen Pfirsich, und ich alles in eine Tüte packen kann.