Leon Windscheid
„Wir sind nicht dafür geschaffen, endgültig anzukommen.“
Zur Person
Leon Windscheid, Jahrgang 1988, wurde 2015 durch die TV-Show „Wer wird Millionär?“ bekannt, wo er mit einer Frage zum Zauberwürfel die Million gewann. 2014 schloss er sein Psychologiestudium in Münster ab und war zum Gewinnzeitpunkt Doktorand in Wirtschaftswissenschaften an der Universität Witten/Herdecke. Mit dem Preisgeld kaufte er ein Schiff, nannte es „MS Günther“ und machte es zu einer Eventlocation in Münster. Windscheid promovierte 2017 und veröffentlichte drei SPIEGEL-Bestseller, darunter „Besser fühlen – Eine Reise zur Gelassenheit“ (2021). Er tourt mit Bühnenprogrammen wie „Altes Hirn, neue Welt“ und derzeit „Gute Gefühle“, moderiert seit 2021 die ZDF-Diskussionssendung „Auf der Couch“ sowie seit 2023 einzelne Ausgaben von „Terra Xplore“. Windscheid gründete die WeMynd GmbH für Online-Kurse zur mentalen Gesundheit, tritt als Keynote Speaker auf und betreibt die Podcasts „In extremen Köpfen“, „Besser so“ und gemeinsam mit Atze Schröder „Betreutes Fühlen“.
17. Januar 2024, Sauerland. Während des Gespräches bahnt sich der kleine Tourbus von Leon Windscheid den Weg nach Attendorn. Für den erfolgreichen Wissenschaftsvermittler, der den Menschen in Büchern, Podcasts, Fernsehsendungen und Bühnenprogrammen die Psychologie nahebringt, beginnt eine monatelange Auftrittsreise. Seine Kumpels und Kompagnons, einer einst Studienfreund und heute Tourmanager, haben ihm auf der Rückbank die optimale Vorrichtung für das Interview gebaut: eine Box mit Tablett für den Laptop. Außerdem liegt ein Handstaubsauger im Inneren bereit, denn als »kleiner Ordnungsfanatiker« entfernt Windscheid die unvermeidlichen Krümel des Unterwegsseins gern sofort. Bei bester Telefonverbindung trotz schlechten Wetters zerlegt er mit Leidenschaft einige Mythen der Selbstoptimierung und wird regelrecht feurig, wenn es um die Unwucht im deutschen Gesundheitssystem geht.
Leon Windscheid, Hal Hershfield, ein Wissenschaftler, dessen Forschung Sie fasziniert, beschäftigt sich mit dem Future Self, also dem Bild, das wir uns von uns selbst in der Zukunft machen. Als Sie damals, noch Doktorand, bei Günther Jauch auf dem Stuhl saßen, haben Sie womöglich antizipiert, dass Sie wenig später Millionär sind. Aber hätten Sie auch den heutigen Star der Wissenschaftsvermittlung vorhergesehen, der Bestseller schreibt und riesige Hallen füllt?
Nein. Aber so besonders meine Geschichte auch sein mag – viele Menschen merken irgendwann im Leben: Jetzt stehe ich an einem Punkt, den ich mir niemals hätte vorstellen können. Ich hatte damals bereits einen Arbeitsvertrag bei McKinsey unterschrieben, als Unternehmensberater mit 100.000 Euro Jahresgehalt, alle Karten waren auf die Corporate-Business-Welt gesetzt. Schon zuvor hatte ich dort im Praktikum bis halb zwei nachts gearbeitet. Mit tollen Menschen und steiler Lernkurve, doch alle meine Mentorinnen – es waren tatsächlich nur Frauen – rieten mir von dieser Karriere ab. Dass es für mich in der Tat der falsche Lebensweg gewesen wäre, ist mir selber erst später klar geworden.
Und der Millionengewinn gab den Ausschlag, diese sichere Nummer abzusagen?
Ich weiß, dass man sich gern selbst verklärt, aber in meinem Fall ist es tatsächlich so, dass ich bereits seit meinem 17. Lebensjahr mit Leidenschaft selbstständig war. Das startete mit kleinsten Sachen, Flyer gestalten für die Dönerbude in Wuppertal oder die Rabattkarte für den Bienenkorb auf dem Solinger Aldi-Parkplatz, auf der man sechs Waben abstreichen konnte, um das siebte Glas Honig umsonst zu bekommen. Sobald ich volljährig war und das Ganze mit Gewerbeschein betreiben durfte, habe ich mit meinem Bruder Studi-Partys organisiert. Dank zwei Lehrereltern im Hintergrund stand aber immer im Raum, dass das nur eine Phase sei, ein Business auf Zeit. Der Sicherheitsweg blieb primär. Den im Nachhinein verlassen zu haben und alles auf das zu setzen, was mir wirklich Freude macht, dafür brauchte es den Millionengewinn finanziell nicht, aber durchaus für meinen Kopf.