Lars von Trier
„Es wäre lächerlich, Frauen zu hassen.“
Zur Person
Lars von Trier wurde am 30.04.1956 in Kopenhagen geboren. Schon in seiner Kindheit entwickelte er einen manischen Kontrollzwang, den er beim Filmemachen mit einer Super-8-Kamera ausleben konnte. Nach einem Studium der Filmwissenschaften drehte er vornehmlich Werbung, bevor er 1984 bereits mit seinem ersten Langfilm „Element of Crime“ in Cannes ausgezeichnet wurde und seinen internationalen Durchbruch feierte. Nach der ebenfalls in Cannes ausgezeichneten bizarren Weltkriegsfantasie „Europa“ gründete er mit dem Produzenten Peter Albæk Jensen Zentropa, die seither erfolgreichste und größte dänische Filmproduktionsfirma. Mit „Breaking the Waves“ gelang ihm sein bislang größter Erfolg, sein Musical-Melodram „Dancer in the Dark“ mit der Sängerin Björk in der Hauptrolle erhielt 2000 die Goldene Palme in Cannes. 2011 sorgte er in Cannes für einen Eklat, als in seinen Äußerungen unter anderem Verständnis für Adolf Hitler mitschwangen. Obwohl sich von Trier für seine „dummen“ Aussagen entschuldigte, war das Medienecho gewaltig. Von Trier ist in zweiter Ehe verheiratet und hat zwei Töchter und zwei Söhne.
20.05.2009, Antibes, Südfrankreich. Der Ort für das Gespräch verkörpert reine Ironie: In seinem Film „Antichrist“ lässt Kult- und Skandalregisseur Lars von Trier ein Ehepaar in einem Waldhaus namens ‚Eden’ die Hölle erleben – das Interview gibt er in dem idyllischen Park des Sechssternehotels Eden Roc du Cap. Seinen Kampf gegen Depressionen machte er schon im Vorfeld publik, und auch während des Gesprächs wirkt der 53-Jährige angeschlagen – die ganze Zeit zittern seine Unterarme; seine Stimme klingt so dünn, als könnte sie jederzeit in ein Weinen umschlagen. Aber das tut sie nie. Immer wieder durchflicht der Filmemacher seine Antworten mit ironischen Bemerkungen, die er mit einem fast kindlichen Kichern unterstreicht.
Herr von Trier, bei der Premiere in Cannes sorgte Ihr Film „Antichrist“ mit seinen exzessiven Gewaltbildern für Aufruhr. Gibt es eigentlich Grenzen für das, was ein Regisseur zeigen darf?
Lars von Trier: Was du dir vorzustellen vermagst, egal welche Perversion oder Grausamkeit, das kannst du auch zeigen. Wenn wir Kultur und Medien Begrenzungen auferlegen würden, dann würden sie doch keinen Sinn mehr ergeben. Es existiert unendlich viel menschliches Leid, also sollest du es auch porträtieren. Es ist auch merkwürdig, dass diese Begrenzungen erst dann gefordert werden, wenn es um fiktive Inhalte geht. Für mich persönlich ist es nicht so, dass ich mir das bewusst aussuchen würde. Ich habe mir auch keine Folterfilme als Inspiration für „Antichrist“ angesehen. Die Bilder, die Sie in meinem Film finden, sind einfach zu mir gekommen. Ich habe sie nicht in Frage gestellt.
Dieser Film reflektiert ja auch Ihr eigenes Leiden, da er aus einer langen Depression heraus entstand. Ist ein solcher Film die geeignete Therapie?
Therapie ist nicht das richtige Wort dafür. Aber ich musste anfangen zu arbeiten, das war sehr hilfreich. Ich zwang mich regelrecht, jeden Tag aufzustehen und eine bestimmte Zahl von Drehbuchseiten zu schreiben. Aber abgesehen davon setze ich durchaus auf die Mittel der Medizin. Wegen meiner Phobien absolviere ich seit Jahren eine kognitive Verhaltenstherapie. Ich habe davon ja einiges in den Film einfließen lassen, wenn der Ehemann seine Frau nach dem Verlust ihres Kinds zu behandeln versucht.