Jutta Allmendinger
„Nichts ist lehrreicher als dabei zu sein.“
Zur Person
Jutta Allmendinger (geboren am 26.9.1956 in Mannheim) ist Tochter einer Psychologin und eines Architekten – und eine der führenden deutschen Soziologinnen. Sie promovierte an der Havard University, seit 2007 ist sie Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB). Für ihre Arbeiten wurde sie mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. 2017 veröffentlichte sie die Ergebnisse in der gemeinsam mit der „Zeit“ durchgeführten Vermächtnisstudie: „Das Land, in dem wir leben wollen: Wie die Deutschen sich die Zukunft vorstellen.“ Sie ist Mutter eines erwachsenen Sohnes und lebt in Berlin.
14. Januar 2021, Berlin. Es gibt Interviews, die muss man wie einen schweren Eimer aus einem Brunnen ziehen. Mit Jutta Allmendinger zu sprechen dagegen ist, als würde man selbst aus einem Brunnen gezogen. Ihre Art ist aktivierend und überzeugend. Es geht der Soziologin um das Miteinander der Geschlechter und der Menschen. Leben sei ein Miteinander der Unterschiede – und die daraus entstehende Reibung pure Energie! Wenn einem die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin diese Dinge erzählt, dann fühlt man sich angestiftet, eine Zeit lang bei der Berliner Straßenreinigung mitzufahren oder ein Kind zu gebären, während man habilitiert und einen Lehrstuhl aufbaut. Wie sie es getan hat.
Frau Allmendinger, wo erreiche ich Sie und was sehen Sie vor sich?
Ich bin gerade im WZB, dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, und sehe um mich herum ausschließlich Personen, die extrem glücklich sind, dass sie sich wiedersehen und dabei allerlei unkonventionelle Ideen entwickeln können.
Seit März vergangenen Jahres habe ich kein Interview mehr persönlich geführt. Ich weiß mittlerweile gar nicht, ob ich das von Angesicht zu Angesicht überhaupt noch könnte. Oder ob meine soziale Angst nicht zu groß wäre.
Von sozialen Ängsten höre ich gerade häufiger. Eltern berichten mir, dass ihre sechs Jahre alten Kinder sich mittlerweile wieder so verhalten, als wären sie anderthalb; dass sie wieder fremdeln, sich für den öffentlichen Raum nicht mehr gewappnet fühlen. Viele meiner Kolleginnen sagen auch, dass sie eigenbrötlerisch geworden seien, gar nicht mehr wüssten, was man eigentlich anzieht, wenn man ins Büro geht. (lacht) Ich glaube, dass – wenn diese Pandemie noch länger anhält – wir alle etwas eigenartig werden könnten. Keine gute Entwicklung.