
Jürgen Vogel
„Wir müssen die böse Seite in uns abrufen dürfen.“
Zur Person
Jürgen Vogel wurde am 29.04.1968 in Hamburg geboren. Sein Vater war Kellner, seine Mutter Hausfrau, seine Kindheit nach eigenen Angaben nicht immer leicht. Er arbeitete früh als Kindermodel, brach die Schule ab und zog mit 15 Jahren aus dem Elternhaus aus. Vogel besuchte für einen Tag die Schauspielschule in München und zog 1985 nach Berlin, in eine WG mit dem Schauspieler Richy Müller. Der Durchbruch gelang ihm 1992 mit Sönke Wortmanns „Kleine Haie“. Inzwischen hat er an rund 100 Filmen mitgewirkt, zu den bekanntesten zählt „Der freie Wille“, in dem er einen Vergewaltiger spielt. Vogel erhielt zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem den Silbernen Bären und den Deutschen Filmpreis. Er ist außerdem als Produzent, Drehbuchautor und Sänger tätig. Der fünffache Vater lebt mit seiner Familie in Berlin. Aktuell ist er im Kino an der Seite von Moritz Bleibtreu in Maximilian Erlenweins Film „Stereo“ zu sehen – ein knallharter Psychotrip und grandios durchkomponierter Thriller mit Aktion und Tempo, wie man sie kaum im deutschen Kino findet.
07.05.2014, München. Während im Kino nebenan die Premiere seines neuesten Films „Stereo“ läuft, nimmt sich Jürgen Vogel Zeit für ein Gespräch. Mit Förmlichkeiten will er sich nicht lange aufhalten. Langes Drumherumgerede ist sowieso nicht sein Ding: Er packt verbal zu, wie es Männer eben können. Fehlt nur noch die Bierflasche – und das trotz komplexer Gedankengänge zu Sartre, Nietzsche oder der Postmoderne. Da könnte man Stunden zuhören, aber die haben wir leider nicht: Zum Ende des Films muss leider abgebrochen werden, Vogel wird auf der Bühne erwartet, um sich vom Premieren-Publikum beklatschen zu lassen.
Jürgen, Sie haben mal gesagt, dass Sie es in Interviews mit der Wahrheit nicht immer so genau nehmen. Es könnte also sein, dass Sie auch mir etwas auftischen, was schlichtweg erfunden ist.
Jürgen Vogel: (grinst) Was spielt es schon für eine Rolle, ob das, was ich in Interviews sage, der Realität entspricht oder nicht? Wahr ist das, woran man glaubt. Ich lebe als Schauspieler ja auch immer damit, dass sich die Menschen Bilder von mir machen, die mit mir gar nichts zu tun haben. Es interessiert mich nicht, Kontrolle darüber zu haben und ihnen vorzuschreiben, was sie über mich zu denken haben, indem ich ihnen sage: Alle mal herhören, ich erkläre mich euch jetzt. Für mich ist es vielmehr ein Glücksfall, dass ich mal hinter den Figuren verschwinden kann und mal in dem ganzen Presserummel. Dort sage ich das, da sage ich was ganz anderes. Keiner weiß dann irgendwann, was stimmt und was nicht. Geiler geht es doch nicht.
Das Versteckspiel mag vielleicht in der Öffentlichkeit gelingen. Aber wie sieht es privat aus? In Ihrem aktuellen Film spielen Sie an der Seite von Moritz Bleibtreu, der in der Rolle des Henry zu dem von Ihnen verkörperten Erik sagt: „Du kannst Dich nicht verstecken.“
Niemand kann vor seiner wirklichen Natur davonlaufen. Alles, was einer in sich hat, kommt sowieso irgendwann einmal heraus, es braucht nur die entsprechende Situation dazu. Insofern muss man sich gar nicht erst in die Idee verrennen, man könne mit seinem wahren Ich hinter dem Berg halten. Ist doch Blödsinn. Haben denn Menschen innerhalb ihrer Beziehungen überhaupt das Bedürfnis, sich zu verstecken? Ich glaube nicht.