Jürgen Todenhöfer
„Unsere Politik im Nahen Osten hatte nie das Ziel, etwas Gutes zu bewirken.“
Zur Person
Jürgen Gerhard Todenhöfer, geboren am 12. November 1940 in Offenburg, hat Jura studiert und kurze Zeit als Richter gearbeitet. Von 1972 und 1990 saß er für die CDU im Bundestag. Er ist noch heute Partei-Mitglied. Von 1987 bis 2008 war er stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Zeitschriftenverlags Burda. Immer wieder bereiste er die Länder des Nahen und Mittleren Ostens und positionierte sich als scharfer Kritiker der Kriege des Westens. 2013 erschien sein Anti-Kriegs-Buch „Du sollst nicht töten“, 2015 folgte „Inside IS“. Todenhöfer hat drei Kinder und lebt in München.
11.11.2015, Berlin. Seit Jahrzehnten ist Jürgen Todenhöfer im Nahen Osten unterwegs. Er redet mit Rebellen, Terroristen, einfachen Leuten und Diktatoren. Ende 2014 bereiste er als Reporter das Gebiet des so genannten „Islamischen Staates“. Die Drohungen des IS, auch in Europa zuzuschlagen, waren zum Zeitpunkt des Interviews noch abstrakt. Zwei Tage später wurden in Paris 130 Menschen ermordet. Todenhöfer musste seine Aussagen für das Interview aktualisieren. Der streitlustige Publizist redet über die Intentionen des IS, über mögliche Gegenmaßnahmen, westliche Politik und die Kritik an der eigenen Person.
Herr Todenhöfer, als was würden Sie den so genannten Islamischen Staat beschreiben?
Jürgen Todenhöfer: Der IS ist die gefährlichste Terrororganisation der Geschichte und auch die mächtigste. Sie beherrscht ein Land so groß wie Großbritannien. Der Westen unterschätzt ihre Gefährlichkeit noch immer massiv. Der IS ist eine Gefahr für den Nahen und Mittleren Osten, und wenn es ihm gelingt, sich dort durchzusetzen, wird er auch eine große Gefahr für den Westen.
Was treibt Menschen an, für den IS zu kämpfen?
Verschiedenes. Erstens: Die meisten ausländischen IS-Kämpfer fühlen sich in ihren Herkunftsländern als Muslime massiv diskriminiert. Zweitens sehen sie, dass der Westen die islamische Welt in Kriegen wie dem Irak-Krieg barbarisch behandelt hat. Drittens finden sie, dass es gegen diese rechtswidrige Behandlung ein Widerstandsrecht gibt.