Jim Rakete
„Kunst kommt nicht von Können, sondern von Müssen.“
Zur Person
Jim Rakete (geboren am 1. Januar 1951 in Berlin) ist Fotograf, Fotojournalist, Filmemacher, Autor und Produzent. Bewusst fotografiert hat er erstmals mit zwölf Jahren, als Willy Brandt am 1. Mai eine Rede in Berlin hielt und Rakete vor Ort auf ein Gerüst kletterte, um mit seiner Praktika-Kamera auszulösen. Bereits fünf Jahre später fotografierte er für Tageszeitungen und Agenturen Musikgrößen wie Jimi Hendrix, Ray Charles oder David Bowie. Zwischen 1977 bis 1987 führte er die Fotoagentur „Fabrik Rakete“ in Berlin Kreuzberg. Außerdem betreute er Künstler wie Nina Hagen, Nena und Die Ärzte als Manager, ehe er sich 1987 vollständig der Fotografie zuwandte. 2018 wurde Rakete für sein Lebenswerk mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Nach vielen Jahren in Hamburg und Los Angeles lebt Rakete inzwischen in Berlin.
29. Dezember 2020, Berlin. Zwei Tage sind es noch bis zu einem Jahreswechsel, der weltweit so sehr herbeigesehnt wurde wie selten einer. Und drei Tage, bis Fotograf und Filmemacher Jim Rakete seinen 70. Geburtstag feiert. Bald soll endlich sein Dokumentarfilm „Now“ in den Kinos starten – eine anhand von sechs Porträts erzählte aussagekräftige Essenz dessen, wofür die Klimageneration in all ihrer Vielfalt, Vehemenz und Sachlichkeit steht. Rakete sitzt am anderen Ende der Telefonleitung in seinem Berliner Zuhause, die Wintersonne scheint durch die Fenster und wir reden über die Enttäuschungsprophylaxe der Deutschen, gute Ideen, die zu früh kamen, und die Überbewertung von letzten Gesprächen.
Herr Rakete, hätten Sie sich als Jugendlicher vorstellen können, dass die Welt ein halbes Jahrhundert später über die Zukunft des Planeten streitet?
In der Form natürlich nicht. Die Zukunft, das war für mich ein großes, weites Feld. Dann kam die Energiekrise Mitte der 70er-Jahre, und zum ersten Mal dachte man darüber nach, dass wir mehr Ressourcen verbrauchen, als der Planet sie hergibt. Dazu kamen das Waldsterben und der saure Regen, gefolgt von der Kritik an den Atomkraftwerken. Die Vorläufer der Grünen wurden in ihren ersten Talk-Show-Auftritten oder im Bundestag noch milde belächelt. Was sicher auch daran lag, dass sie Topfpflanzen unter dem Arm trugen oder strickten. Aber: Das komplexeste Thema unserer Zeit stand nun auf der Agenda. Plötzlich hing alles mit allem zusammen.
Haben die Menschen angemessen darauf reagiert?
Um mal bei mir anzufangen: Ich habe tatsächlich meinen schönen alten Volvo verkauft und mir ein kleines, sparsames Auto zugelegt. Ich wollte Energie sparen. Dann gab es natürlich auch gesellschaftliche und politische Reaktionen. Es kam das Waldsterben – und damit die Katalysatoren in den Autos. Sprays mit FCKWs wurden verboten, um die Ozonschicht zu retten, und Müll wurde getrennt. Vieles wurde effektiver, aber es gab auch die Augenwischerei von sauberen Motoren mit geringem Verbrauch, denn tatsächlich nahm der Flottenverbrauch der Autos zu und der Energiehunger der Weltbevölkerung eben auch. Trotz der immer schlimmeren Luftwerte wurden weiter munter Kohlekraftwerke gebaut. Mit dem Pariser Klimaabkommen gelang dann ein bestauntes Wunder – aber leider zunächst nur auf Papier. Die Umsetzung hinkt dem Abkommen weit hinterher, während die Erderwärmung stetig steigt. Wir werden größere Schritte gehen müssen, wenn wir darauf noch Einfluss nehmen wollen.