Harald Welzer
„Die Katastrophe ist die große Gleichmacherin.“
Zur Person
Harald Welzer (geboren am 27.07.1958 in Bissendorf bei Hannover) ist Soziologe und Sozialpsychologe sowie Mitbegründer und Direktor der gemeinnützigen Stiftung Futurzwei, die sich für eine »zukunftsfähige, enkeltaugliche und offene Gesellschaft« einsetzt. Neben seiner Lehrtätigkeit (u.a. an der Europa-Universität Flensburg und der Universität St. Gallen) veröffentlichte er zahlreiche Bücher, die in über 20 Ländern erschienen sind. 2022 setzte er sich mit dem Philosophen Richard David Precht in dem viel besprochenen und kritisierten Bestseller „Die vierte Gewalt” kritisch mit der deutschen Medienlandschaft auseinander und warf ihr eine einheitliche Berichterstattung vor. Im Frühling und Sommer lebt Welzer in Berlin, die andere Hälfte des Jahres auf den Kanaren.
23. Januar 2019, Berlin. Noch 24 Stunden vor dem Gespräch war der Sozialforscher und Publizist Harald Welzer im Atlantik schwimmen. Jetzt ist er braungebrannt und aufgeräumt im klirrenden Berliner Winter zurück. In den Räumen seiner Denkschmiede „Futurzwei“ im Stadtteil Moabit erläutert er ohne Zeitdruck, warum wir Menschen die Katastrophe lieben, uns dennoch nach Utopien sehnen, diese aber nur noch einseitig bedient werden. Sein Credo: Die Welt lässt sich verändern, dafür benötigt es nur einen Pfadwechsel. Freundliche Mitarbeiter bieten zwischendrin gesunde Getränke an. „Reine Konsumkultur hier“, scherzt Welzer. „Dauernd kriegt man Angebote!“
Herr Welzer, was schätzen Sie, wenn ich fünf Bekannten eröffnen würde, dass ich die Welt verbessern möchte, wie viele würden mir den Vogel zeigen?
Fünf.
Wäre auch mein Tipp. Aber wieso eigentlich?
Weil „Weltverbesserer“ als Schimpfwort gilt, ähnlich wie „Gutmensch“. Leute, die guten Willens und bereit sind, etwas zu tun, müssen sich ständig dafür rechtfertigen. Sie stehen automatisch unter Legitimationsdruck. Wenn Sie jetzt also verkünden würden: Hey, ich will die Welt verbessern, wer macht mit? Dann entgegnet jeder: „Du hast doch nicht alle Tassen im Schrank.“ Die Welt zu verbessern oder ein guter Mensch zu sein – das hat beides einen schlechten Ruf. Was wiederum ein schlechtes Licht auf die gegenwärtige Gesellschaft wirft.