
Ferran Adria
„An der Grenze zwischen Schauspiel und Küche ist Vorsicht geboten.“
Zur Person
Ferran Adrià, 1962 in Hospitalet bei Barcelona geboren, landete zufällig in der Küche. Als junger Wirtschaftsstudent brauchte er Geld für einen Urlaub auf Ibiza und wusch in einem kleinen Hotel an der Küste die Teller. Der Restaurantchef führte ihn schließlich in die klassische spanische Küche ein. Nach seinem Dienst beim Militär machte er eine Kochlehre, nahm 1983 eine Stelle im damals unbedeutenden Restaurant El Bulli in Cala Montjoi an der Costa Brava an und wurde 1984 Küchenchef. Nach zehn eher konservativen Kochjahren beschloss er 1993, die Küche zu revolutionieren. Seitdem experimentiert er in den Sommermonaten in Barcelona an neuen Gerichten und kocht im Winter im El Bulli.
19.12.2005, Barcelona. Im ersten Stock eines Palasts in der engen gotischen Altstadt. In der Versuchsküche hantieren vier junge Köche. Für das Interview bittet Starkoch Ferran Adrià in die ehemalige Palastkapelle, in der heute sein Konferenzzimmer untergebracht ist.
Senor Adrià, wir haben schon ein wenig Ihren Mitarbeitern zugeschaut. Sie arbeiten mit flüssigem Stickstoff, experimentieren mit Zellulose und gefriertrocknen – ist das hier eine Küche oder ein Labor?
Ferran Adrià: Die Arbeit in der Werkstatt hat mit Kochen tatsächlich nichts zu tun: Hier forschen wir. Mein Team und ich wollen Techniken und Produkte aus der Lebensmittelindustrie für die hohe Küche nutzen, das ist seit ein paar Jahren unser wichtigstes Konzept. So können wir viele Dinge machen, die vorher unmöglich waren. Allerdings kann man ein guter Forscher sein und trotzdem ein schlechter Koch. Wir möchten in beidem gut sein. Mit dem, was wir hier erarbeitet haben, gehen wir dann in mein Restaurant El Bulli und kochen.
Getrocknete Milch mit Pfefferblüten, Karamell aus Kürbisöl, Suppe, die nach Marzipan schmeckt: Manche Leute behaupten, auch was Sie im El Bulli machen, habe mit Kochen nichts zu tun.
Puh – die große Frage. Aber ich finde schon, dass wir kochen. Kochen heißt immer, Zutaten stark zu verwandeln, ansonsten kann man auch einfach etwas auf den Grill legen. Zu unserer Philosophie aber gehört, dass wir beim Kochen stets an das ursprüngliche Produkt denken: Das Ergebnis, so elaboriert es auch sein mag, soll so nah wie möglich am Originalgeschmack bleiben. Ein einfaches Beispiel: Orangensaft muss mich an eine Orange denken lassen. Das ist natürlich kein absolutes Prinzip, denn Wein hat mit der Traube geschmacklich eigentlich nichts mehr zu tun, und ist dennoch genial. Eine ganz andere Frage wäre, ob El Bulli wirklich ein Restaurant ist.