
Düzen Tekkal
„Wir dürfen das emotionale Ziel nie aus den Augen verlieren.”
Zur Person
Die Fernsehjournalistin, Filmemacherin, Autorin und Menschenrechtsaktivistin Düzen Tekkal wurde 1978 als eines von elf Kindern einer jesidischen Einwandererfamilie in Hannover geboren. Nach dem Studium der Germanistik und Politikwissenschaft arbeitete sie als Reporterin unter anderem für die Sender ARD, ZDF, RTL. Für ihre Reportage „Angst vor den neuen Nachbarn”, in der sie jugendliche Straftäter mit Migrationshintergrund porträtiert, erhielt sie 2010 den Bayerischen Fernsehpreis. 2014 erlebte sie mit, wie der IS in Irak ihr eigenes Volk verfolgte und ermordete. Ihre Eindrücke verarbeitete sie in dem Dokumentarfilm „Háwar – Meine Reise in den Genozid”. HÁWAR.help (kurdisch für »Hilfe«) heißt auch der Verein für humanitäre Hilfe, den sie zusammen mit ihrer Schwester Tuğba Tekkal gegründet hat. Daneben betreibt sie unter anderem die Bildungsinitiative GermanDream und das Start-up Mut:Republik. Im Jahr 2021 erhielt sie für ihre Verdienste das Bundesverdienstkreuz am Bande. Zuletzt gab sie gemeinsam mit der Journalistin Natalie Amiri den Gesprächsband „Wir haben keine Angst! Die mutigen Frauen Irans” heraus, in dem iranische Dissidentinnen zu Wort kommen.
18. Juli 2023, Berlin. Die Menschenrechtsaktivistin Düzen Tekkal erscheint auf die Minute pünktlich am verabredeten Treffpunkt, einem Café in Prenzlauer Berg. Gleich zur Begrüßung erklärt sie, dass sie leider nicht so viel Zeit mitbringt, wie eigentlich vereinbart war – es gibt einen aktuellen Fall, der ihren Einsatz verlangt. Tekkal beruhigt jedoch: Sie sei es gewohnt, in Gesprächen schnell auf den Punkt zu kommen. Und diese Aussage bestätigt sich sogleich. Ohne einem das Gefühl zu geben, dass sie nur Vorgestanztes abspult, formuliert Düzen Tekkal präzise und engagiert. Man merkt ihr an, dass sie eine geübte Geschichtenerzählerin ist.
Düzen Tekkal, wie verschafft man einem Thema die größtmögliche Aufmerksamkeit?
Durch Authentizität, Eigentreue, durch Überzeugungsarbeit. Aber vor allem, indem man eine gute Geschichte erzählt. Darauf läuft es am Ende hinaus. Gerade wenn ich über Menschenrechtsverletzungen berichte, muss es um die Geschichte gehen. Auch große Weltthemen lassen sich immer auf die Schicksale einzelner Menschen herunterbrechen.
Sie sind mit zehn Geschwistern aufgewachsen. Haben Sie auch dadurch gelernt, dass sich nur gute Geschichten durchsetzen – oder ist das Küchenpsychologie?
Nein, das Aufwachsen mit so vielen Geschwistern hatte durchaus Einfluss. Wir mussten zu den besten Geschichtenerzählerinnen werden. Unsere Mutter hat uns sehr streng erzogen, forderte viel, bei uns zu Hause herrschte eine Kultur des Funktionieren-Müssens. Wir waren elf Kinder, es musste immer alles schnell gehen, unkompliziert sein, für Selbstbezogenheit oder Nebenschauplätze blieb wenig Zeit. Ich bin mit dem folgenden Satz aufgewachsen: Fasse dich kurz. Die sogenannte „elevator speech“ wird einem in einer Großfamilie in die Wiege gelegt. Du musst um Aufmerksamkeit buhlen. Die Frage war immer: Nehmt ihr mich wahr mit meinen Themen und meiner Identität?