Dr. Franz Janßen

Dr. Franz Janßen

Warum neigt der Mensch zu Folter?

Autor/in
Fotos
  • Thomas Duffé
Leserbewertung

Zur Person

07.06.2006, Berlin. Hat der Mensch sein Gewaltpotenzial nicht im Griff? Dr. Franz Janßen, Leiter des Berliner Zentrums für Folteropfer (bzfo), setzt sich mit dieser Frage tagtäglich auseinander. In diesem Gespräch ergründet er in seinem Büro, warum der Mensch zu Folter neigt – und was für Folgen sie für die Opfer hat.

Herr Janßen, in den einleitenden Worten auf der Homepage des Zentrums schreiben Sie: „Folter hat auch bei uns viele Gesichter.“ Was verstehen Sie unter Folter, bezogen auf die westlichen Zivilisationen?

Dr. Franz Janßen: In westlichen Zivilisationen darf nicht gefoltert werden. Doch was passierte in Abu Ghraib, in Guantanamo? In Form der Flüchtlingsströme ist Folter auch bei uns präsent. Durch die vielen politischen Konfliktherde erleben wir seit Mitte der 90er Jahre einen quantitativen Sprung dieser Ströme. Viele dieser Flüchtlinge haben heftigste Gewalterfahrungen erlebt: Das geht von so genannter weißer Folter, die man schwer nachweisen kann – also reine Psychofolter – bis hin zu martialisch brutalen Erfahrungen. In jedem Land werden in den Gefängnissen andere Rituale angewandt, die man dann Praktiken der verschärften Verhörmethoden nennt.

In über 100 Ländern ist Folter noch heute an der Tagesordnung. Wie kann das sein, wo die Folter doch gesamtgesellschaftlich und rechtsstaatlich geächtet ist?

Das liegt sicher in der Geschichte der Folter begründet: Sie war historisch eine kriminalistische Methode zur Wahrheitsgewinnung. Man hat leider viele Jahrhunderte gebraucht, um herauszufinden, dass man unter Folter so ziemlich alles aus den Menschen herausbekommt, nur die Wahrheit nicht. Mit anderen Worten: Die Folter ist notorisch unzuverlässig.

Ab hier lesen nur GALORE-Abonnenten kostenlos weiter! Eines der vielen Abo-Extras.