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What the Health

Polyband · 29. September

Ist die Ernährung grün, ist das Leben gesund. Mit dieser These ziehen Kip Andersen und Keegan Kuhn los, um ihren Weg in eine Ernährung ohne Fleisch, Milch, Käse und Eier per Kamera zu dokumentieren. Was sie finden, ist „What the Health“, ein krankes Konstrukt aus Gesundheitsorganisationen und Lebensmittelkonzernen.

Kip Andersen hat eine ungewöhnliche Expertise vorzuweisen: Er ist ein Hypochonder auf dem besten Weg der Genesung. Lange Zeit war er der festen Überzeugung, er würde an Komplikationen infolge von Diabetes sterben. So wie sein Großvater, der ihm vermutlich die Neigung zur Zuckerkrankheit vererbt hat. Oder er hätte, wie sein Vater, zwei Bypässe noch vor seinem 50. Geburtstag. Auf jeden Fall würde ihn früher oder später eine aggressive Herz-Kreislauf-Erkrankung dahinraffen. Das Problem ist nur: Kip Andersen ist kerngesund und läuft regelmäßig gute Zeiten bei Marathons. Und weil er gerne so bedenkenlos gesund und kraftstrotzend bleiben möchte und zudem Dokumentarfilmer ist, verbindet er Anliegen und Mittel zum Zweck in „What the Health“. Andersen ist US-Amerikaner, deswegen wählt er die Nummer einer nationalen Gesundheitsorganisation, die sich der Bekämpfung von Diabetes verschrieben hat. Global gesehen macht sich dieser Verband zum Lobbyisten für rund 350 Millionen Menschen, denn, so deren Sprecher Dr. Ratner, „die Welt ist mittendrin in einer Diabetes-Epidemie.“ Eine Antwort, ob man einem solchen Horrorszenario womöglich mit Hilfe von grundlegenden Ernährungsreformen begegnen könne, bleibt der Mediziner schuldig. Immerhin, auf der Website der „American Diabetes Association“ stehen Rezepte für Gerichte, die als besonders gesund gelten sollen. Darunter auch viel Frittiertes, Fettiges und industriell vorgefertigte Lebensmittel wie Würstchen, Käse und Fleischklopse für Hamburger. Nahrungsmittel, von denen die Weltgesundheitsorganisation in Genf, dringend abrät, um genau jene Zuckerkrankheit, Herzerkrankungen und schlicht Übergewicht zu vermeiden. Ähnliches trifft Andersen auch auf den Webseiten von Verbänden gegen Krebs, Bluthochdruck und Fettleibigkeit: Appetitanregende Bilder von gebratenen Shrimps, Speck, Nudeln und vor allem Käse machen regelrecht Heißhunger. Wie kommt es also, dass amerikanische Gesundheitsorganisationen anscheinend gegen ihre eigenen Interessen arbeiten? Die Antwort darauf findet sich in der Liste der Sponsoren dieser privat geführten Organisationen: Immer ist mindestens ein Lebensmittelkonzern dabei, oft sind es auch Fleischwarenhersteller. Dass diese großen Firmen ihren eigenen Profit mehr im Auge haben als das Schicksal mehrerer Millionen Kranker, versteht sich von selbst. Tatsächlich gibt es in den USA außer dem Diabetiker, dem Bypass-Patienten oder dem Fettleibigen selbst kaum jemanden, dem an dessen Gesundheit gelegen ist. Das gilt für die Lebensmittelhersteller, mehr aber noch für die Pharmakonzerne, die nicht nur an menschlichen Patienten verdienen, sondern vor allem an den Impfstoffen und Antibiotika bei der Viehhaltung. Was klingt wie eine klassische Verschwörungstheorie, wird noch nicht einmal von den Angestellten der Gesundheitsverbände bestritten – allerhöchstens ein bisschen beschwichtigt. In Deutschland hat das gesetzliche Sozialversicherungssystem die Krankenkasse vor solche privatwirtschaftlichen Interessenskonflikte geschaltet. Einen Werbefilm über staatlich geregelte Gesundheitssysteme zu drehen, ist zwar nicht im Sinn der Macher von „What the Health“ gewesen, löst hierzulande aber dennoch einen gesunden Wohlfühleffekt aus. Letzteres gilt auch für die Lösung, die Andersen und sein Mitstreiter Keegan Kuhn im großen Finale präsentieren. Diese wird sogar von den Medizinern und Ernährungsberatern mitgetragen, die sich zum US- Filmstart von „What the Health“ an den unbelegten Zahlen und den zweifelhaften Beispielen für Krankheiten durch Fleisch- und Fischgenuss rieben. Völlig einig sind sich Macher und Kritiker wenn es heißt: Esst viel weniger Fleisch! Esst viel mehr Grünzeug! Das macht euch fitter als einen Turnschuh, schneller als der Wind und glücklicher als eine Kuh auf der grünen Wiese – von denen dann nur noch ganz wenige gebraucht werden, was den Treibhauseffekt immens senken und die globale Erwärmung viel langsamer machen würde. Aber das ist eine Geschichte, die haben Andersen und Kuhn schon 2014 mit ähnlich viel Zahlengewirbel und konstruierten Beispielen in ihrer Doku „Cowspiracy – Das Geheimnis der Nachhaltigkeit“ erzählt.

Fazit
Wer wie Kip Andersen und Keegan Kuhn in „What the Health“ mit viel Überzeugungskraft und guten Gründen dafür plädiert, sich überwiegend oder am besten nur noch pflanzlich zu ernähren, macht zweifellos alles richtig. Wer dabei aber einige Zahlen nicht belegt und manches Fallbeispiel bestenfalls theoretisch aufmacht, macht allerdings leider auch den Bock zum Gärtner.

Edda Bauer