Musik

31.12. | Album der Woche

Curtis Harding • If Words Were Flowers

Epitaph

Foto: Matt Correia


Dornige Angelegenheit

Zum Titel seines neuen Albums wurde Soul-Musiker Curtis Harding von seiner Mutter inspiriert, die ihm sagte: „Schenke mir Blumen, solange ich noch hier bin.“

Wie häufig schenken Sie Ihrer Mutter Blumen?
Oft. Und zwar nicht nur am Muttertag. Ich mache ihr das ganze Jahr über immer wieder eine Freude.

Und was sind die Lieblingsblumen Ihrer Mutter?
Ich glaube, sie hat gar keine bestimmte Vorliebe. Ich schenke ihr gerne Rosen, weil ich die selbst sehr gerne mag.

Warum?
Äußere Schönheit, betörender Duft, dazu die Dornen: Da steckt viel Symbolik drin. Ich mag aber auch Wildblumen, eben wegen ihrer Wildheit.

Warum sind Ihnen die Dornen wichtig?
Dornen erinnern mich daran, freundlich und mild zu sein. Bin ich zu grob, verletzen mich die Dornen. Verhalte ich mich umsichtig und übe ich mich in Geduld, dann passiert nichts.

Ihr neues Album heißt „If Words Were Flowers“…
… ja, und auch Wörter besitzen Dornen, diese Erfahrung haben wir alle schon einmal gemacht. Es gibt bewusste Verletzungen. Man kann Menschen, die man sehr gerne hat, aber auch durch unbewusste Worte sehr wehtun.

Was ist Ihnen wichtiger, der Geruch oder das Aussehen einer Blume?
Das ist keine Entweder-oder-Frage, weil ich glaube, dass diese beiden Aspekte in Beziehung zueinanderstehen. Jede Blume hat das Aussehen, das zu ihrem Duft passt – und umgekehrt. Die Natur hat das sehr gut eingerichtet, sie ist eine talentierte Ingenieurin.

Gottes Plan?
Ob man das nun Gott nennt oder nicht, spielt keine Rolle. Es gibt aber zweifellos eine höhere Instanz, die wir Menschen nicht verstehen.

Ihre neuen Tracks klingen wie ein Best-of der Soulmusik aus den 60er- und 70er-Jahren. Wie gelingt es Ihnen, diesen Sound zu erzeugen?
Bei vielen Songs beginne ich damit, sie allein aufzunehmen: Bass, Gitarre, Orgel, Schlagzeug, dazu der Gesang. Diese Bänder nehme ich dann mit ins Studio, wo wir die Ergänzungen vornehmen. Dort kommen dann die Bläser oder Streicher hinzu, auch die Backgroundstimmen. Auf diese Art wachsen die Songs über einen längeren Zeitraum organisch, und ich glaube, dass dieses Vorgehen hilft, einen guten Klang zu finden.

Die Bläser auf dem Album sind fantastisch, was ist das Geheimnis einer brillanten Bläsergruppe?
Brillante Bläser. (lacht)

Okay, und was ist das Geheimnis eines brillanten Bläsers?
Mit anderen Bläsern zusammen zu sein, die noch brillanter sind. Es geht darum, sich gegenseitig zu inspirieren. Das funktioniert am besten, wenn man von Leuten umgeben ist, die einen immer noch übertrumpfen können.

Curtis Harding
If Words Were Flowers

Epitaph, 05. November

Auf seinen ersten beiden Alben entwickelte Curtis Harding eine Art von Soul, die bei aller Eleganz den Dreck nicht wegwischte, die Kanten nicht wegpolierte. „Slop-Soul“ nannte er das: Eine leicht verrutschte Variante des Stils. Mit „If I Were Flowers“ entwickelt Harding seinen Sound weiter. Noch immer ist er meilenweit von der digitalen Reinheit des Neo-Soul entfernt, doch sorgen die Bläser, Streicher und Chorgesänge bei Stücken wie dem Titeltrack oder „Hopeful“ für eine beinahe majestätische Atmosphäre.

André Bosse