Musik

31.03. | Album der Woche

Hélène Grimaud & Konstantin Krimmel • Silvestrov: Silent Songs

Deutsche Grammophon

31.03. | Album der Woche - Hélène Grimaud & Konstantin Krimmel • Silvestrov: Silent Songs

Foto: Mat Hennek


Die Kraft der Stille

Vor 18 Jahren bekam Hélène Grimaud eine Aufnahme von Valentin Silvestrovs Werken geschenkt. Seitdem lässt sie der Zauber der »Silent Songs« nicht mehr los

Frau Grimaud,was fasziniert Sie an Valentin Silvestrovs Musik?
Vor allem, dass Musik auch heutzutage noch ein emotionales Ereignis sein kann. Als ich die Stücke zum ersten Mal hörte, realisierte ich, dass die musikalische Sprache, mit der Gefühle heraufbeschwört werden, noch lebendig ist. Einige Leute waren skeptisch, als ich seine Werke in mein Repertoire aufnahm. Aber die Reaktionen des Publikums gaben mir schnell recht.

Inwiefern?
Seine Musik schafft es, sofort eine Verbindung zu den Hörern herzustellen. Silvestrov sagte mir, dass die Melodie dafür verantwortlich ist, die, genau wie das erste Lächeln zwischen zwei Fremden, als Einladung zum Kennenlernen verstanden werden darf. Er wurde heftig kritisiert, weil sein Stil damals nicht als akzeptable Kompositionstechnik angesehen wurde.

Der Zyklus heißt »Silent Songs«. Wie definieren Sie Stille?
Stille ist Frieden, aber auch der Urquell für Stärke. Wenn man diese Momente findet, in denen man eine Verbindung zu seiner inneren Quelle herstellt, fühlt sich das wie fruchtbarer Boden an.

Wo finden Sie diese Stille?
Wenn ich auf Tour bin, in der Musik, weil der Alltag drumherum so hektisch ist. Ansonsten in der Natur. Allerdings muss das kein spektakulärer Ort sein. Es reicht ein Garten, ein Baum oder eine Beziehung zu einem Tier. Das Wichtige ist, dass man sich bewusst für diese Momente Zeit nimmt. Denn in den Leben, die wir heutzutage führen, passiert das nicht mehr automatisch.

Fällt Ihnen das leicht?
Ich wäre unehrlich, wenn ich sagen würde, dass es schwierig ist. Ich habe großes Glück und liebe meinen Job, der von Dualität geprägt ist. Ich habe Phasen, in denen ich viel unterwegs bin und die Musik und mich täglich mit anderen Leuten teile. Aber danach schaffe ich meist Gelegenheiten, um mich zu Hause in meinem Garten und mit meinen Tieren zurückzuziehen. Für mich sind diese Ruhepausen essenziell.

Sie sind Synästhetikerin, das heißt, Sie nehmen Musik in Farben wahr. Welches Kolorit hat die Stille? Das ist eine gute Frage, die mir bislang noch niemand gestellt hat. Daher vertraue ich jetzt auf mein erstes Bauchgefühl, glaube aber, dass sich die Antwort im Laufe der Zeit noch verändern könnte: Gerade sehe ich Stille als weiße Leinwand, die das gesamte Farbspektrum des Regenbogens in sich trägt.


Helene Grimmaud

Helene Grimaud und Konstantin Krimmel
Silent Songs

Deutsche Grammophon, 03.03.

Melodien sind laut Valentin Silvestrov zur Entstehungszeit der »Silent Songs« vor knapp 50 Jahren eine bedrohte Spezies gewesen. Um diesem Aussterben entgegenzuwirken, lässt er seine Tonfolgen häufig von Klavier und Gesang parallel intonieren. Es ist faszinierend, wie viel Gefühl Hélène Grimaud und Konstantin Krimmel mit den im besten Sinne schlichten Stücken transportieren können: Auch wenn man der gesungenen Sprache nicht mächtig ist, versteht man die Intention der Werke ganz ohne zusätzliche Erläuterung.

Katharina Raskob