Literatur

30.09. | Buch der Woche

Lisa Taddeo • Animal

Piper

Die ersten Zeilen knallen: Joan, demoralisierte Antiheldin, sitzt mit Liebhaber Nummer eins in einem New Yorker Restaurant, als Liebhaber Nummer zwei auf sie zukommt und sich vor ihren Augen erschießt. In der zweiten Zeile. Die US-amerikanische Lisa Taddeo kommt also direkt zur Sache. Daraufhin bricht Joan alle Zelte ab und reist an die Westküste, um dort ihre sehr schöne, sehr perfekte, Yoga-lehrende Halbschwester Alice kennenzulernen – die letzte Person, bei der sie sich Zuflucht erhofft. Gleichzeitig ist ihr Durst nach irrationaler Rache für ihre verkorkste, von Gewalt geprägte Kindheit groß. Auf dem Weg nach Kalifornien begegnet Joan dubiosen Männern und Frauen, landet in einer sonderbaren Gemeinschaft am Topanga Canyon und muss immer wieder um ihre Selbstbestimmtheit ringen. Mit jedem Satz wird sie rauer, abgebrühter. Sex und Begehren sind ihre größten Schwächen und ihre stärksten Machtinstrumente. Die Ambivalenz zieht sich durch Joans Gedankenwelt: Taddeo zeichnet eine klaffende Wunde aus Trauma, Wut, Rachsucht, Empathie und Selbstermächtigung. „Animal“ ist kein gemütlicher Roman über Wohlfühl-Feminismus. Das Buch gleicht eher einem heftigen Tritt in die Magengrube, der zeigt, dass man gut beraten ist, in dieser Welt besser keine Frau zu sein. Das ist hart, aber die große Stärke von Taddeo: Gefälligkeiten sind ihr vollkommen fremd. Während der Plot an manchen Stellen fast ins Surreale abdriftet, bleiben die Charaktere unangenehm scharfkantig und echt. Leserinnen und Leser haben die Wahl: Friss oder stirb.

Lisa Taddeo
Animal

Piper, 416 Seiten

Elisabeth Krainer