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30.03. | Heimkinotipp der Woche

Call Jane

DCM Film Distribution

30.03. | Heimkinotipp der Woche - Call Jane

Foto: DCM Film Distribution


Frauen, die sich selbst zu helfen wissen

Basierend auf wahren Ereignissen erzählt Regisseurin Phyllis Nagy in »Call Jane« von Frauen in den Sechziger Jahren, die nicht nur für ihr Recht auf Selbstbestimmung kämpften, sondern mit einem Netzwerk namens The Janes selbst für sichere Schwangerschaftsabbrüche sorgten. Wir sprachen dazu mit Elizabeth Banks, die die Hauptrolle spielt.

Ms. Banks, seit den Dreharbeiten zu »Call Jane« im Jahr 2021 hat das Thema Abtrei-bung nicht zuletzt in den USA noch einmal eine ganz neue Dringlichkeit erfahren. Sehen Sie den Film, der eine Geschichte aus den 1960er Jahren erzählt, nun in einem ganz neuen Licht?
Ja und nein. Natürlich zeigen die politischen Entwicklungen rund um das Thema, die ja leider nicht überraschend, aber doch unerwartet schnell kamen, wie relevant diese Geschichte und die Auseinandersetzung mit dem Recht auf Abtreibung auch heute noch sind. Gleichzeitig haben wir »Call Jane« nie als Abtreibungsfilm gesehen. Für uns war es immer eine Geschichte über eine Gemeinschaft von Frauen, die sich zusammentut und für eine Sache kämpft. Und die Geschichte meiner Figur Joy, die mit 40 Jahren herausfinden muss, welche Lebensaufgabe noch vor ihr liegt und was sie ihren eigenen Erfahrungen Positives abgewinnen kann. Diese Aspekte des Films dürften für jedes Publikum nachvollziehbar sein, ganz gleich in welchem gesellschaftspolitischen Umfeld es sich befindet.

Womöglich wird »Call Jane« jetzt allerdings als politischer Film gesehen, was Zuschauer manchmal abschreckt, oder?
Ach wissen Sie, wenn man einen Film dreht, in dem es unter anderem um Abtreibung geht, dann wird er zwangsläufig immer auch als politisch gesehen. Und natürlich wird es Menschen geben, die damit Berührungsängste haben. Davon kann man sich nicht aufhalten lassen. Zumal in der Regel schon die Tatsache reicht, dass Frauen Regie geführt, das Drehbuch geschrieben und die Hauptrollen gespielt haben, um einen Film zu politisieren. Als hätte alles, was wir tun, automatisch ein feministisches Anliegen. Selbst wenn es uns vor allem darum geht, das Publikum mit einer großartigen Geschichte zu unterhalten.

Da klingt ein wenig Frust durch ...
Ich habe gar nichts dagegen, wenn man Kunst auf politische Relevanz abklopft. Aber tatsächlich empfinde ich es in letzter Zeit manchmal als mühsam, wie einseitig die Medien so etwas dann positionieren. Bei der Art und Weise, wie über unsere Arbeit berichtet wird, geht es fast nur noch um Klicks und Schlagzeilen. Ich mache diesen Job seit 25 Jahren, er ist mein Leben und ich widme ihm all meine Energie und Leidenschaft. Doch alles, worum es heute zu gehen scheint, ist die Tatsache, dass ich eine Frau in einer von Männern dominierten Branche bin. Für PoC oder queere Menschen ist es ähnlich. Das »Anderssein« bestimmt nicht selten jeden einzelnen Aspekt in der Wahrnehmung unserer Arbeit. Vor dem weißen Patriarchat gibt es in dieser Hinsicht scheinbar kein Entkommen.

Lassen Sie uns auf »Call Jane« zurückkommen, der auf wahren Begebenheiten basiert. Haben Sie sich zur Vorbereitung mit Frauen getroffen, die damals mit dabei waren?
Nein, ich habe keine der Janes gesprochen. Unser Drehbuch war hervorragend recherchiert, und außerdem ging es uns ja um fiktive Personen. Aber natürlich spürt man eine besondere Verantwortung, wenn reale Ereignisse als Vorlage dienen. Zumal bei so außergewöhnlichen und bedeutsamen Frauen.

Gab es etwas, zumal im Vergleich mit anderen Filmen zu der Thematik, das Sie bei »Call Jane« unbedingt vermeiden wollten? Ich habe von Anfang an sehr viel Wert darauf gelegt, dass Joy nicht weint. Ich kenne viele Frauen, die nach einer Abtreibung nicht geweint haben, sondern nach Hause kamen und sich einen Cocktail gönnten. Die froh darüber waren, dass sie Zugang zu einer ordentlichen, frauenfreundlichen Gesundheitsversorgung hatten und die Richtung ihres Lebens selbst bestimmen konnten. Natürlich kann eine Abtreibung für eine Frau eine schwierige Sache sein, die komplizierte Gefühle nach sich zieht. Für viele ist sie aber auch eine sehr positive Entscheidung. 98 Prozent aller Frauen bereuen sie im Nachhinein nicht. Und für Joy gilt das ganz besonders, schließlich wäre sie ohne ihre Abtreibung vermutlich gestorben.

Call Jane
DCM Distribution • 01.12.2022

»Call Jane«, dessen Protagonistin Joy im Krankenhaus eine Abtreibung versagt wird, obwohl die Schwangerschaft für sie lebensbedrohlich ist, wartet mit einem überzeugenden Ensemble auf. Neben Elizabeth Banks sind u.a. Sigourney Weaver und Kate Mara dabei. Aber vor allem lebt der Film von der bemerkenswerten Geschichte der Janes, die – wie ein Blick auf den Dokumentarfilm »The Janes« beweist – hier recht realitätsnah eingefangen wird. Phyllis Nagy erzählt sie stimmig und nie reißerisch, allerdings nie so emotional aufwühlend wie etwa »Das Ereignis«, sondern eher konventionell und mit Blick auf das Happy End, das hier in Gestalt eines historischen Gerichtsurteils daherkommt, fast als Feelgood-Movie. Der wirklich bittere Beigeschmack stellt sich erst beim Gedanken daran ein, dass letzteres inzwischen gekippt wurde und für vor 50 Jahren bereits Erreichtes heutzutage in den USA abermals gekämpft werden muss.

Patrick Heidmann