Literatur

29.05. | Buch der Woche

Marie-France Hirigoyen • Die toxische Macht der Narzissten

Marie-France Hirigoyen

Die toxische Macht der Narzissten. Und wie wir uns dagegen wehren

Ch.Beck – 253 Seiten

Was ist der Unterschied zwischen Donald Trump und Frank Underwood? Im Weißen Haus regiert ein "grandioser", im House of Cards ein "perverser Narzisst". Getoppt werden beide von Wladimir Putin, der als perverser Narzisst leibhaftig im Kreml residiert.

Die französische Psychotherapeutin Marie-France Hirigoyen lässt an unserer Politikerelite kein gutes Haar. In ihrem Buch "Die toxische Macht der Narzissten" analysiert sie die psychologischen Profile der Regierenden und kommt zu dem Schluss, dass sich die politische Klasse vor allem aus Narzissten und Supernarzissten rekrutiert. Nicht besser sieht es mit Wirtschaftsbossen aus: Mehr Schein als Sein kennzeichnet die Welt der Dollars und des Bling-Bling. Den Urgrund dafür sieht die Autorin im Leistungs- und Konsumzwang des Neoliberalismus. Die Sucht nach Selbstwertsteigerung begünstigt Narzissten und katapultiert sie an die Schalthebel der Macht. Die Entwicklung unserer paternalistischen Kultur im Opfermodus hin zu einer Gesellschaft, die Freiheit und Selbstbeweihräucherung kultisch verehrt, produziert Narzissten en masse. Neurosen verblühen, Psychosen erglühen. Die sozialen Netzwerke spielen dabei die Rolle des Steigbügelhalters für Selbstdarsteller und lügnerische Strategen aller Couleur. Sie bieten ein reichweitenstarkes Podium und die nötigen Tools, um narzisstische Charakterstörungen effizient und augenfällig in Szene zu setzen. Wenn wir nicht dahinsiechen wollen wie Echo, Narziss' erstes Opfer in Ovids Metamorphosen, dann sollten wir unsere Stimmen erheben. Hirigoyen ermutigt uns zu Mäßigung und uneitlen Utopien.

Ute Cohen