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28.05. | DVD der Woche

Die Libelle

LibelleDIE LIBELLE

Universal • 23. Mai

Die Doppelagentin

Unmittelbar aus den 70er-Jahren, perfekt für die #metoo-Ära von heute: John le Carrés selbstbewusste Spionin bietet in » Die Libelle « den Männern Paroli.

» Es schockiert Sie doch nicht, dass wir Juden sind? « – » Nein, natürlich nicht! « – » Und Sie würden sich auch nicht übergeben müssen, wenn Sie erführen, dass wir Israelis sind? « – » Vielleicht stellen Sie besser einen Eimer hin. Nur für den Fall. « Charlie ist nicht auf den Mund gefallen. Als Schauspielerin und emanzipierte Frau der ausgehenden 70er-Jahre könnte sie sich das gar nicht leisten. Sie raucht, trinkt, politisiert und hat Sex aus Lust. Jenes Vergnügen ist dann auch der Grund für ihr gesteigertes Interesse an Joseph, dem schönen Fremden am Strand von Griechenland. Ein vermeintlich romantischer Ausflug mit Joseph zur Akropolis endet in einer Villa mit noch mehr Fremden und obigem Dialog. Da ahnt Charlie zum ersten Mal, dass sie Teil einer Inszenierung ist. Eine Inszenierung, die in der Tat die gesamten sechs Episoden braucht, um sich in ihrem ganzen Ausmaß zu entfalten. Sie basiert auf dem Roman » Die Libelle « von Spionage-Meister John le Carré aus dem Jahr 1983. Die Libelle ist Charlie, eine junge, lebendige, selbstbewusste Frau, die sich weder Meinung noch Wort verbieten lässt. Charlie war le Carrés trotzige Reaktion auf die serielle TV-Verwurstung seines berühmtesten Agenten George Smiley, dem alternden, bis zur Paranoia skeptischen und diplomatisch schweigsamen Mann, 1979 in » König, Dame, As, Spion « und 1982 in » Agent in eigener Sache «. Wie perfekt jedoch das Miniserien-Format zu le Carrés Figuren passt, beweist sich in #metoo-Zeiten an Charlie sogar noch mehr als in ihrem 2016 von der BBC produzierten Vorgänger » The Night Manager «. Alles andere als naiv lässt sie sich offenen Auges für eine Doppelrolle zwischen den Fronten von Palästinensern und Israelis engagieren. Florence Pugh, die 23-Jährige mit der eiskalten Entschlossenheit im Puppengesicht, bringt dies auf den Punkt. Ihre Charlie fasziniert nicht nur durch die physische Präsenz einer Elitesoldatin, sondern weil sie in jeder Sekunde auch die Zweifel an ihrem Tun mitschwingen lässt. Diese innere Zerrissenheit von Körper und Geist, die schon in le Carrés Romanvorlage angelegt ist, bringt Pugh als Markenzeichen mit, das sie bereits in » Lady Macbeth « unter Beweis stellte, indem sie die Grenzen zwischen Mord- und Lebenslust verschwimmen ließ. Als Libelle verweist sie damit ihren Ausbilder (Alexander Skarsgard) und den verschwörerischen Strippenzieher vom Mossad (Michael Shannon) auf die hinteren Plätze im le Carré-Imperium. Edda Bauer