Musik
26.05. | Album der Woche
Laila Biali • Your Requests
ACTFoto: Natalie Jane
Nachhausekommen
Auf »Your Requests« erfüllt die kanadische Pianistin und Sängerin Laila Biali Zuhörer-Wünsche – in Form von Klassikern des Great American Songbooks
Es ist bereits seit vielen Jahren gängige, wenn auch inoffizielle Praxis, dass Laila Biali gelegentlich Songvorschläge ihrer Fans in ihr Repertoire aufnimmt. Von Jazzstandards über Popsongs bis hin zu Musicals war die Bandbreite der Wünsche für Coverversionen bisher groß. Für ihr neues Album »Your Requests« rief sie ihre Fans diesmal ganz offiziell – dazu auf, sich bei den Vorschlägen auf Songs des Great American Songbook zu konzentrieren. Für Biali ist das Arrangieren von Fremdkompositionen ein großes Vergnügen, das sie mit der Renovierung eines Hauses vergleicht, erzählt sie in unserem Gespräch. »Einen Song selbst zu schreiben, ist, als würde man ein neues Haus bauen. Man muss ein Fundament legen, Wände errichten und Stützbalken aufstellen. Man muss das Grundgerüst konstruieren, bevor man mit Farben spielen kann. Bei einem Arrangement hingegen ist all das bereits vorhanden. Es macht mir großen Spaß zu überlegen: Okay, ich liebe die Form dieses Hauses. Aber wie möchte ich diesen Raum verändern? Möchte ich die Farbe ändern? Möchte ich ein paar Fliesen herausreißen und einen Hartholzboden verlegen? Das ist das musikalische Äquivalent dazu.« Inwieweit sie die Innenarchitektur tatsächlich verändern wollte, variierte von Stück zu Stück. Bei »Autumn Leaves« war es beispielsweise der Text, der die Richtung für das musikalische Arrangement vorgab. »Ich wollte dieses Gefühl von herabfallenden Blättern auf dem Klavier erzeugen. Plötzlich kommt ein Wirbelsturm auf, bei dem ganze Bäume umgeworfen werden. Ich ließ das Arrangement des Solo-Teils bombastisch werden, um diese anderen Nuancen des Herbstes zu zeigen. Am Ende kehren wir aber wieder zu den sanft herabfallenden Blättern zurück, zu jenem Herbst, wie ich ihn am liebsten erlebe.« »Your Requests« bedeute für Biali »eine Art Nachhausekommen«, wie sie erzählt – schließlich handelt es sich um Songs, die sie zu Beginn ihrer Karriere als Jazzmusikerin geprägt haben, von denen sie sich aber auch freispielen musste, um ihre eigene Stimme zu finden. Dass sie dies schaffte, verdanke sie ihrer Zeit in New York. »Ich hatte dort einfach das Gefühl, dass ich die Erlaubnis hatte, mich außerhalb der Grenzen des Jazz zu bewegen, wie ich ihn so lange verstanden hatte … und das ohne kritisiert zu werden. Es gibt eine Zillion Leute, die dort traditionellen Jazz spielen. Dafür brauchten sie mich nicht. Das war der Zeitpunkt, an dem ich meine eigene Stimme wirklich erforschen konnte.«
Laila Biali
Your Requests
ACT, 26. Mai
Kreuzbrav das Songbook des Jazz herunterzubeten kam für Laila Biali auf »Your Requests« ebenso wenig infrage wie eine völlige Dekonstruktion der Klassiker. Vielmehr suchen die Pianistin und ihre Band mit Reharmonisation und dem Spielen mit Groove, Dringlichkeit und Dynamik einen neuen Blickwinkel auf das altehrwürdige Ausgangsmaterial. Mal nimmt sich Biali etwas mehr Interpretationsspielraum, mal bleibt sie näher am Original. Ein Hörvergnügen ist »Your Requests« in jedem Fall.
Markus Brandstetter