Literatur

24.11. | Buch der Woche

Bernhard Schlink • Die Enkelin

Diogenes

Branchenkenner geben auf die Frage, wie man ernste Literatur platzieren kann, gerne den zynischen Rat: "DDR und Nazizeit gehen immer." Bernhard Schlink wirft beides zusammen, indem er von einem gutmütigen Buchhändler erzählt, der die Liebe seines Lebens 1964 aus der DDR geschleust hat und nach ihrem Tod davon erfährt, dass sie von einem SED-Funktionär eine ungewollte Tochter hatte. Eine Freundin sollte die Kleine damals ins Waisenhaus geben. Tatsächlich wuchs sie bei ihrem Vater auf und lebt heute samt ihrer Tochter – der Enkelin – in einem Dorf völkischer Neonazi-Siedler in der ostdeutschen Provinz. Die zweite Hälfte wird somit zu einer Enkelin-Rettungsmission. Ein recht hölzerner Versuchsaufbau. Doch der Beginn! Rund 40 Seiten lang kein Wort des Dialogs, aber eine innere Rede von teils entwaffnender Brillanz. "Er sah auf sie herab und wusste, dass sie tot war. Aber dabei war ihm, als könne er ihr später erzählen, dass er sie tot in der Badewanne gefunden hatte, und mit ihr darüber reden."

Bernhard Schlink
Die Enkelin

Diogenes, 368 Seiten

Oliver Uschmann