Musik

24.03. | Album der Woche

Niels Frevert • Pseudopoesie

Grönland Records

24.03. | Album der Woche - Niels Frevert • Pseudopoesie

Foto: Dennis Dirksen


Gar nicht pseudo

Mit seinem neuen Album »Pseudopoesie« setzt Niels Frevert dort an, wo er 2019 mit »Putzlicht« aufgehört hatte — und veröffentlicht eines seiner besten Alben.

Herr Frevert, ein Wort wie »Flatterband« hört man im Popkontext nicht alle Tage.

Das kann ich jetzt von meiner Liste streichen. Ich habe vor solchen Worten keine Angst mehr. Außerdem habe ich gelernt, dass, wenn ich mich frage, ob ich ein gewisses Wort überhaupt benutzen kann, es zwei Monate später zu meiner Lieblingszeile wird. Das Wort Flatterband hatte ich schon länger in der Schublade liegen.

Sie haben mal davon gesprochen, dass die deutsche Sprache beim Songschreiben ein ziemlicher Kampf sein kann.

Das ist sie – weil man sich damit unglaublich blamieren kann. In der Hamburger Schule, mit der ich aufgewachsen bin, lag die Messlatte sehr hoch. Mit halbgaren Texten durfte man sich da nicht blicken lassen. Zudem möchte ich ja Geschichten erzählen, die noch nicht zehntausend Mal erzählt worden sind. Oder wenn sie das wurden, möchte ich sie zumindest mit meinen eigenen Worten erzählen. Sich von Klischees fernzuhalten, von allzu leichten Reimen, das dauert länger. Aber wie Blixa Bargeld mal gesagt hat: Das ist die Sprache, in der ich träume.

Einer der herausragenden deutschsprachigen Songtexter nennt sein Album »Pseudopoesie« – was hat es damit auf sich?

Den gleichnamigen Song gab es bereits, und ich dachte mir, dass »Pseudopoesie« als Albumtitel total unverfänglich wäre. Dabei fing die Diskussion da erst an. Mein Label meinte: »Du darfst das. Wir kennen da einige, die ihr Album vielleicht eher nicht so nennen sollten«. Man kann sich mit so einem Titel ja selbst ins Knie schießen. In meiner offiziellen Albuminfo hat sich Tino Hanekamp über den Titel ausgelassen. Er konnte es überhaupt nicht verstehen und hat drei verschiedene Interpretationen geliefert. Ich dachte mir nur: »Genau, er hat recht«. Das passt alles: Von den Selbstzweifeln bis zum Meta-Mittelfinger ist alles dabei.

Ihr letztes Album »Putzlicht« zog sich in seiner Entstehung etwas in die Länge. War es diesmal leichter?

Es musste schneller gehen. Zum einen hatte ich nach »Putzlicht« große Lust, auf Tour zu gehen – und ich hatte die Tour schon gebucht. Es gab also bereits eine Deadline. Dann kam noch dazu, dass ich mit einem neuen Produzenten gearbeitet habe, Tim Tautorat. Tim arbeitet schnell und sitzt nicht ein Dreivierteljahr lang an einem Album. Ich hatte schon geahnt, dass ich, wenn wir im Studio loslegen, alles beisammen haben muss. Ich schreibe sonst oft noch den Text fertig, wenn ich das Lied bereits einsinge. Diesmal habe ich es tatsächlich hinbekommen, rechtzeitig alles zusammenzuhaben.


Niels Frever - Pseudoposie

Niels Frever
Pseudoposie

Grönland Records, 24.03.

Urbane Wirrungen, verbrannte Landschaften, der Blick zurück und die unbeantwortete Frage danach, wie es weitergehen könnte: Niels Frevert zeigt sich auf seinem neuen Album einmal mehr als einer der bemerkenswertesten Songtexter der deutschen Sprache. Das atmosphärisch dichte Klangbild, das der Hamburger gemeinsam mit dem Produzenten Tim Tautorat­ erarbeitet­ hat, passt wunderbar zu den melancholischen Geschichten,­ die hier erzählt werden. Dabei ist an Freverts Poesie freilich nichts, aber auch gar nichts pseudo.

Markus Brandstetter