Musik

23.12. | Album der Woche

Julia Bullock • Walking In The Dark

23.12. | Album der Woche - Julia Bullock • Walking In The Dark

Intimität im Bombast

Als gefeierte Sopranistin steht Julia Bullock auf den ganz großen Bühnen. Ihr Solo-Debütalbum „Walking in the Dark“ vereint nun Erfahrung mit Gefühl.

Frau Bullock, "Walking In The Dark" ist Ihr erstes Solo-Album. Was bedeutet Ihnen als gefeierter Live-Sängerin das Medium Album eigentlich? Singen Sie darauf anders als für den Live-Moment?
Es gibt einige Aufnahmen, bei denen klar ist, dass sie fürs Studio konzipiert wurden – wie bei Pink Floyd oder Jimi Hendrix. Mir war es bei meinem Album dagegen wichtig, trotz der Wahl der besten Version jedes Songs eine gewisse Unmittelbarkeit und Lebhaftigkeit beizubehalten. Bei einem ersten Album achtet man da natürlich besonders auf Details.

Live-Musik fühlt sich ja auch völlig anders an als aufgenommene Musik – wenn auch beides sehr intensiv sein kann.
Auf jeden Fall. Wir haben zwei komplette Tage zusammen mit dem Philharmonia Orchestra in London aufgenommen. Davor war ich zehn Tage in Isolation. Danach plötzlich mit 80 Menschen zu interagieren, war wirklich überwältigend. Im Studio, nur mit Klavier und Gesang, fühlte es sich wiederum sehr isoliert an. Es gab also die beiden Extreme.

Sie sagten gerade, Sie seien sehr detailliert vorgegangen – wie leicht fiel Ihnen die Wahl der Stücke?
Super an der Zusammenarbeit mit Nonesuch Records war, dass das Label die Rechte für so ziemlich alles besitzt. Zudem bekam ich den kompletten kreativen Freiraum. Ich hatte schnell „El Niño“ auf dem Schirm, was ich schon immer auf so viele Bühnen wie möglich bekommen wollte. Die anderen Stücke folgten dann wie von selbst. Spannend dabei ist, dass die Originalversionen der Stücke aus ganz unterschiedlichen Jahrzehnten stammen. Ist Zeit in der Musik für Sie relativ? In der Poesie der Stücke, die ich singe, gibt es viele Wiederholungen und zentrale Themen. Meine Aufgabe ist es, die Stücke nicht bloß zu internalisieren, sondern sie selbst zu verkörpern. Deswegen fühlt sich kein Material auf dem Album weit entfernt an. All diese Stücke wurden ja auch von Menschen geschrieben, die ihre Erfahrungen unsterblich machen wollten. Ich wiederum fülle diese Ursprungsversionen mit meiner Intimität und Perspektive auf. Die Frage ist immer: Wie singst du etwas so spezifisch, dass das Stück für sich spricht? Egal, aus welchem Jahrzehnt es stammt.

Julia Bullock Walking In The Dark

Julia Bullock
Walking In the Dark
Nonesuch Records, 9. Dezember

Sieben Stücke von unter anderem Samuel Barber, John Adams und Connie Converse, vorgetragen in bewegenden Arrangements vom London Philharmonia Orchestra und Christian Reif. Und: Über all dieser Schönheit thront Julia Bullocks Timbre. Kraftvoll, aber auch verletzlich, intensiv und doch ganz unmittelbar. Von der theatralischen Opulenz in „Memorial De Tiateloco“ bis zum intimen Schmerz in „Brown Baby“ durchschreitet dieses Album mehr Stimmungsbilder als manche Diskografie. Ein bemerkenswertes Debüt.

Julia Köhler