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23.10. | DVD der Woche

Auf der Jagd - Wem gehört die Natur?

Tief in den Wäldern

Auf der Jagd – Wem gehört die Natur?

NFP • 23. Oktober

In ihrem Dokumentarfilm „Auf der Jagd – Wem gehört die Natur?“ begibt sich Alice Agneskirchner an der Seite von Jägerinnen und Jägern tief in den Wald und hoch ins Gebirge auf die Spur einer scheinbar archaischen Beschäftigung, des Jagens. Warum sie gerade einen Film über die Jagd gedreht hat und welche Bedeutung diese für Natur und Wirtschaft hat, erzählt sie uns im Interview.

Frau Agneskirchner, sind Sie selbst Jägerin oder warum wollten Sie unbedingt einen Film über die Jagd machen?

Nein, das nicht, aber als Dokumentarfilmerin interessiere ich mich am meisten für das, was ich nicht kenne. Ich sehe es als meine Aufgabe an, ergebnisoffen und vorurteilsfrei an Themen und die mit ihnen verknüpften Mikrokosmen heranzutreten. In Bezug auf die Jagd ist mir wiederholt das Vorurteil untergekommen, dass es sich dabei um eine rückständige Beschäftigung handle. Das wollte ich überprüfen und nun weiß ich: ohne die Jagd, gäbe es dieses artenreiche Wildtiervorkommen in Deutschland nicht. Klingt paradox – ich weiss.

Wie haben Sie sich auf den Film vorbereitet?

Zunächst habe ich unzählige Jagdzeitschriften und Literatur gesichtet. Zudem habe ich fast 400 Jäger getroffen, bevor ich überhaupt entschieden habe, mit wem ich drehen möchte. Auch mit Tierdokumentationen habe ich mich beschäftigt, es war mir sehr wichtig neben den Jägern auch die Tiere realistisch und doch ästhetisch abzubilden. Daher habe ich auch mit dem professionellen Tierfilmer Owen Prümm aus Südafrika zusammengearbeitet, denn es braucht eine ganz spezifische Ausbildung, um Tiere drehen zu können. Ich wollte, dass mein Dokumentarfilm Elemente der sozialkritischen, historischen Ebene, aber auch der Naturdokumentation enthält.

Gab es während des Filmdrehs eine besonders eindrückliche Situation?

Sehr beeindruckend waren für mich die Aufnahmen der Gams im Hochgebirge. Ich wollte Sommer- und Winterbilder zeigen, in dem Jahr lag aber erstaunlich wenig Schnee. Als wir den langen Aufstieg mit dem ganzen Equipment gemeistert hatten, war der Schnee meistens schon getaut und die Enttäuschung groß. Dennoch konnten wir oben tolle Aufnahmen der Gämsen drehen. Mit den Jägern im Hochgebirge zu sein, das hatte eine ganz besondere Atmosphäre, etwas Existentielles, wenn man z.B. nicht richtig gekleidet ist, dann könnte das auch den Tod bedeuten. Solche Erfahrungen kennen wir als „moderne Gesellschaft“ oft nicht mehr.

Die Jäger stehen heutzutage unter Druck, sie müssen ihre Abschusszahlen erreichen. Wie kommt es, dass diese Zahlen immer weiter hochgesetzt werden?

Das liegt an der bundesweiten Verordnung "Wald vor Wild". Die Forstbetriebe messen ihren Erfolg zum einen an Abholzzahlen, zum anderen an Verbissgutachten, die angeben, wieviel Verbiss an jungen Bäumen zu finden ist. Die Toleranzschwelle für diese Verbisszahlen wird immer weiter hinabgesetzt. Die Jagd ist aus Sicht der Forstwirte und auch der Landwirte unbedingt nötig. Die Jäger wollen zwar zur Jagd gehen, aber die Wildtiere nicht ausrotten.

Ihr Film zeigt neben der Jagd in deutschen Wäldern auch, wie in Kanada Frauen gemeinsam auf traditionelle Art, in einem Kanu, jagen gehen. Warum dieser filmische Ausflug auf einen anderen Kontinent?

In dem aufgeklärten, kulturellen Stadtumfeld, in dem ich mich normalerweise aufhalte, stehen die meisten der Jagd skeptisch gegenüber. Ich habe allerdings festgestellt, wenn wir über ursprünglich Formen der Jagd sprechen – über die Jagd der Ureinwohner Afrikas oder Amerikas beispielsweise, dass diese Jagd nicht in Frage gestellt wird, sondern als Teil einer Tradition und Kultur akzeptiert wird. Diesen anderen Blick auf das Jagen als Selbstverständlichkeit wollte ich mit in den Film einfließen lassen.

"Wem gehört die Natur?" – haben Sie eine Antwort auf die Titelfrage Ihrer Dokumentation gefunden?

Sie gehört uns allen. Wir aber müssen die Verantwortung für die Tiere übernehmen, die ja am gesellschaftlichen Entscheidungsprozess nicht teilnehmen können. Wir leben in der Natur des Menschen, im Anthropozän. Deshalb fällt uns die Verantwortung und die Jäger tragen einen großen Teil davon. Das sollten wir anerkennen und das würde auch dazu führen, dass die Gesellschaft vielleicht einen weniger dogmatisch ablehnenden Blick auf die Jagd zurückgewinnt. Die Frage, wie viel Jagd und wie viel Forstwirtschaft wir wollen, muss innerhalb des gesellschaftlichen Entscheidungsprozesses beantwortet werden. Ich denke und hoffe, dass mein Film einen Beitrag zu dieser Diskussion leisten kann.

Interview: Marina Mucha

FAZIT Eine Dokumentation, die Mensch und Tier gleichermaßen ins Auge fasst: Mit einer Collage aus hochästhetischen Aufnahmen von Gämsen, Wölfen und nebelverhangenen Wäldern, genauso wie offenen Statements von Jägern und eingestreuten Hard Facts bietet die Dokumentarfilmerin Alice Agneskirchner viele anregende Ansätze zur Diskussion um die Frage „Wem gehört die Natur?“.