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23.02. | Kinostart der Woche

Tár

23.02. | Kinostart der Woche - Tár

Der Fall der Dirigentin

In »Tár« erzählt Todd Field von einer musikalischen Ausnahmekönnerin (Cate Blanchett), die dort angekommen ist, wo es nur noch abwärts gehen kann.

Mr. Field, »Tár« ist die Geschichte einer Dirigentin an der Spitze eines der besten Orchester der Welt. Haben Sie einen Bezug zur Welt der klassischen Musik?
Eigentlich gar nicht. Mich interessierte weniger diese Welt als die Figur darin. Lydia Tár stammt aus einer ganz anderen, kulturlosen Umgebung, doch die frühe Begegnung mit der Klassik löst etwas in ihr aus. Sie beginnt, mit aller Macht diesem Traum nachzujagen und wird exzellent, ja ikonisch. Sie kommt ganz oben an und ist in der Lage, Magie zu kreieren. Aber sie steht eben auch an der Spitze einer höchst bürokratischen, hierarchischen Organisation, deren Macht sie bedienen und verwalten muss. Diese Balance zwischen dem kapriziösen Künstlertum und dem machtpolitischen Manövrieren reizte mich – die Welt der Klassik stellte dafür eine ergiebige Kulisse dar.

Haben Sie eine weibliche Protagonistin gewählt, weil es in der Klassik-Szene noch ein langer Weg zur Gleichberechtigung ist?
Man könnte unseren Film als Science-Fiction bezeichnen, so unrealistisch scheint es bei den großen Orchestern in Mitteleuropa bis heute, dass es eine Frau so weit nach oben schafft. Aber eine Frau war die Figur schon, bevor ich mich für dieses Setting entschied. Ein Mann in dieser Position hätte mich nicht so interessiert, auch nicht, wenn der Film in der Welt des Profisports oder in Hollywood spielen würde.

Geht es im Film um ein deutsches Orchester, weil diese die elitärsten der Welt sind? Für Dirigenten sind die großen Orchester in Deutschland und Österreich so etwas wie der Mount Everest ihrer Branche. Dort liegt der Kanon der klassischen Musik begründet, die Traditionen reichen zurück bis zu Wagner, Mahler und Co. Die Zahl der Menschen, die es dorthin schaffen können, ist sehr überschaubar. Und für »Tár« suchte ich obendrein natürlich auch nach dem größtmöglichen Gegensatz zu ihrer bescheidenen Herkunft aus dem amerikanischen Niemandsland von Staten Island.

Stimmt es, dass Sie schon beim Schreiben Cate Blanchett im Kopf hatten?
Ja, und hätte sie die Rolle nicht angenommen, hätte ich den Film nicht gedreht. Normalerweise schreibe ich Drehbücher nicht für bestimmte Schauspieler, aber als ich zu Beginn der Pandemie 2020 mit »Tár« anfing, war sie einfach schon in meinem Kopf. Dabei kannte ich sie nur flüchtig. Und es war nicht so, dass ich so arrogant war zu glauben, dass sie die Rolle annehmen würde. Wenn nicht, wäre das auch okay gewesen. Dann hätte ich eben einmal mehr ein Skript für die Schublade geschrieben.

Tar

  1. Februar

Lydia Tár steht als Dirigentin vor dem größten Moment ihrer ohnehin spektakulären Karriere, als ihr privat wie beruflich die Fallstricke der Macht doch zum Verhängnis zu werden drohen. Meisterlich erzählt Regisseur Todd Field in seinem dritten Film von einem Genie als Antiheldin, geschickt verwoben mit komplexen, sehr aktuellen Diskursen und vor allem brillant, kraftvoll und unglaublich nuanciert verkörpert von Cate Blanchett. Ein echtes Meisterwerk!

Patrick Heidmann