Musik
20.11. | Musik der Woche
Ólafur Arnalds • some kind of peace
Mercury KXÓLAFUR ARNALDS
some kind of peace
Mercury KX • 06. November
Der Angst gestellt
»some kind of peace« führt Ólafur Arnalds weg von großen Konzepten hin zu sich selbst. Die Inspirationen reichten von Marina Abramovi? bis Kendrick Lamar.
Ólafur Arnalds, Ihr neues Album heißt »some
kind of peace«. Wo finden Sie derzeit Frieden?
Natürlich in der Musik, aber vor allem in der
Gemeinschaft, die daraus entsteht. Wenn ich
mit Freunden gemeinsam musiziere, ist das für
mich eine Art Frieden. Neben der Musik spielt
auch die Natur eine große Rolle. Wenn ich so
weit in den Bergen bin, dass ich keinen Handyempfang
mehr habe – das ist für mich Frieden.
Mit dem Albumtitel »some kind of peace« werfe
ich aber nicht nur die Frage auf, ob es in dieser
chaotischen Zeit überhaupt möglich ist, wahren
Frieden zu finden, sondern teile auch die Erkenntnis,
dass Frieden für jeden anders aussieht.
Das Wichtige ist, dass wir alle unseren eigenen
Frieden finden.
Ihren letzten Alben lagen große Konzepte
zugrunde. Warum ist das bei »some kind of
peace« nicht der Fall?
Ich wollte mich nicht länger hinter diesen Ideen
verstecken. Für mich war es ein schwieriger
Prozess, mich dieser Konzepte zu entledigen
und Musik mehr als Kommunikationsform zu
begreifen. Ich wollte den Stücken eine Stimme
geben und habe mich teilweise dafür entschieden,
Gesprächsfetzen oder Dinge, die mich
beeindruckt haben, mit in die Musik einzuweben.
Dazu hat mich vor allem Kendrick Lamar inspiriert. Generell war die größte Herausforderung
bei »some kind of peace«, sich der eigenen
Verletzlichkeit zu stellen, der man sich mit solch
persönlicher Musik aussetzt.
Wie haben Sie die Angst davor überwunden?
Ein Zitat von Marina Abramovi? hat mich dahingehend
beeinflusst. Sie sagt, wenn man vor
etwas Angst hat, sollte man darauf zugehen und
sich dieser Angst stellen, denn dann kann man
sie auslöschen. Da das Album noch nicht veröffentlicht
ist, ist der Prozess für mich noch nicht
ganz abgeschlossen, aber ich arbeite stetig daran,
diese Angst gänzlich zu beseitigen. (lacht)
»We Contain Multitudes« thematisiert, dass
es verschiedene Facetten innerhalb einer Persönlichkeit
gibt. Was sind Ihre beiden widersprüchlichsten?
Es geht mehr um ein Gefühl, dass man mehrere
Charaktere in sich trägt. Ich lebe in zwei verschiedenen
Ländern – Island und Indonesien
– und habe dort jeweils andere Persönlichkeiten.
Man spricht eine andere Sprache, man hat
andere Freunde und man verhält sich anders.
Ich glaube, dass wir ein Produkt unserer Umgebung
sind. Wir hängen zu sehr an dieser
Idee einer Persönlichkeit. Diesen glorifizierten
Individualismus habe ich nie verstanden.
Fazit:
Es gibt kein umfassendes
Konzept, das von den zerbrechlichen
Stücken auf »some kind of peace« ablenkt. Die Verletzlichkeit
und Emotionen, die damit
einhergehen, hört man dem Album
an. Nach wie vor verwebt
Ólafur Arnalds elektronische
Klänge und klassisches Instrumentarium
mit unnachahmlicher
Selbstverständlichkeit – und
schenkt dem Hörer mit zehn
wunderschönen Stücken den
perfekten Soundtrack für die
Suche nach dem inneren Frieden.
Foto: Anna Maggy
Katharina Raskob