Musik

19.10. | Album der Woche

José James • Lean On Me

Boxenstopp mit Bill

José James

Lean on Me

Blue Note • 28.September

Erst durch Schauspielunterricht hat es José James geschafft, sich auf einem stilechten Tribut-Album dem großen Soulsänger Bill Withers zu nähern.

Ich habe gehört, dass Sie Withers persönlich getroffen haben, um die Songs für „Lean on Me“ auszuwählen.

Oh ja. Ich bin großer Fan! Mein Produzent Don Was sagte mir, dass ich meine Liste mit 60 essentiellen Songs auf zwölf verkürzen müsste. Das brachte ich nicht übers Herz, also mussten wir Bill selbst fragen. Wir trafen uns zum Essen und sprachen über sein Leben und sein Werk – einer der schönsten Abende meiner Karriere.

So ein Treffen ist nicht selbstverständlich. Withers lebt seit Mitte der Achtziger, frustriert über das Musik-Business, komplett zurückgezogen. Hat er Ihr Album später gehört?

Ich habe es seiner Tochter geschickt und es hat ihnen allen sehr gefallen. Von allen Dingen, die ich im Leben getan habe, war mir selten etwas so wichtig. Auch deshalb, weil ich die Bedeutung von Bill Withers als Songwriter unterstreichen wollte. Ich finde, er sollte in einem Atemzug mit Komponisten wie Paul McCartney, Carole King oder Billy Joel genannt werden.

Die Zeit, in der Sie performen, ist eine sehr andere als die von Withers.

Heute hast du zwar die Chance, dein Publikum im Netz direkt zu erreichen und so authentisch rüberzukommen. Aber als Bill 1971 anfing, hat man sich Alben noch komplett angehört. Wenn du die Hits hören wolltest, musstest du in die Disco gehen! Ich will nicht wie ein alter Mann klingen, ich stelle nur fest: die Aufmerksamkeitsspanne der Menschen hat sich verändert. Ich bin aber nicht auf Hits aus, ich bin ein Albumkünstler. Das mag nicht mehr en vogue sein, aber es ist der einzige Weg, um die Performance eines Künstlers wirklich zu bewerten.

Wie haben Sie sich darauf vorbereitet, diese textlich teils recht düsteren Songs einzusingen?

Seitdem ich im zweiten Teil von „Fifty Shades Of Grey“ einen Sänger gespielt habe, nehme ich Schauspielunterricht. Sich mit den eigenen Emotionen auseinandersetzen hat mich fasziniert. So fand ich einen Weg, einen Song besser zu spüren. Mein Schauspiellehrer sagte mir, ich solle Bills Songs unabhängig von der Musik sehen, nur als Text. Das ist schwer, aber so konnte ich einen ganz neuen Ausdruck erreichen. Das half mir, im Studio einen Song nach dem anderen abzuarbeiten. Wir haben wie ein Formel1-Team beim Boxenstopp gearbeitet: nur ein paar Sekunden anhalten und dann wieder losrasen.

Interview: Jan Paersch

FAZIT: Bill Withers‘ Songs faszinieren auch 40 Jahre nach ihrer Entstehung dank einer Kombination aus tiefer Melancholie und rauem Funk. Im Capitol-Studio-B in Los Angeles, wo schon Frank Sinatra arbeitete, hat Jazz-Sänger José James sein neues Cover-Album aufgenommen. Mit seidenweicher Stimme und einer grandiosen Band hat James zwölf dieser Klassiker kongenial eingespielt. Besonders bewegend: „Hope She’ll be Happier“ und „Lean on Me“.