Literatur
18.11.| Buch der Woche
Andreas Vollenweider • Im Spiegel der Venus
Midas CollectionANDREAS VOLLENWEIDER
Im Spiegel der Venus
Midas Collection • 430 Seiten
Zwischen Seele, Geist und Körper
In seinem Debütroman »Im Spiegel der Venus« erzählt der österreichische Harfenspieler Andreas Vollenweider die fiktive Geschichte eines neunjährigen Cellisten, der die Menschen mit seiner Musik auf ganz besondere Weise berührt. Als es bei dessen Konzerten zu spontanen Heilungen Schwerstkranker kommt, wird aus dem jungen Musiker ein gefeierter, aber auch gejagter Messias.
Andreas Vollenweider, wie viel von
Ihrer eigenen Geschichte steckt in
»Im Spiegel der Venus«?
Natürlich gibt es Parallelen, es ist aber
dennoch ein fiktiver Roman, keine
Autobiographie. Das Buch behandelt
eine Frage, die mich schon seit meiner
Kindheit getrieben hat, nämlich: Wie
entsteht Wirklichkeit? Und was war
die Wirklichkeit vor der Wirklichkeit?
Der Protagonist meines Romans ist
ein kleiner Junge, dessen Cellospiel
die Menschen zutiefst bewegt, und der
zeigt, dass Musik auch eine physische
Wirkung haben kann. Wir alle sind
tiefgründige Wesen, mit einem inneren
Labyrinth, in dem man Störungen finden
kann, die uns in unserer Entwicklung
beeinflussen oder sogar nachhaltig
behindern. Musik kann genau diese
Räume erschließen.
Diese These wurde durch Ihre Zusammenarbeit
mit der Universitätsklinik
Genf im Rahmen der Hirnforschung
bei Frühgeborenen tatsächlich belegt.
Es ist das erste Mal, dass die heilende
Wirkung von Musik wissenschaftlich
nachgewiesen werden konnte. Meine
Musik erzeugt offensichtlich eine
höchstmögliche Entspannung, die –
wenn man sie mit Glocken-, Flötenoder
perkussiven Tönen variiert –
Neugier und Überraschung wecken
kann. Bei 50 Prozent der Frühgeborenen
hat die Erfahrung mit der Musik
ihre Hirnentwicklung normalisiert
oder im Vergleich zu Normalgeborenen
sogar verbessert. Das hat meiner
Theorie natürlich in die Hände gespielt
und auch meine eigene Geschichte gewissermaßen
bestätigt.
Eine Geschichte, die sich in ihrer Vielschichtigkeit
kaum in wenigen Sätzen zusammenfassen lässt.
Wenn man mich nach meinem Beruf
fragt, dann sage ich, dass ich Geschichtenerzähler
bin. Das umfasst meine
Musik, meine Malerei – und jetzt eben
auch mein Schreiben. Auch Musik ist
eine Sprache, die letztlich von A nach B
nach C und so weiter führt. Aber Sprache
an sich hat noch keinen Inhalt.
Es sind vielmehr erst Geschichten, die
Sprache so wertvoll machen. Ich habe
mit meiner Musik eine eigene Sprache
entwickelt, und in gewisser Weise handelt
davon auch mein erster Roman.
Haben Ihnen die Arbeiten an Ihrem
Buch neue Erkenntnisse über das Leben
gebracht?
Für einen Autor ist das Schreiben immer
auch eine Forschungsreise. Ich
hatte Fragen, die mir niemand beantworten
konnte und die mir dabei halfen,
ein neues Denksystem aufzubauen.
Durch » Im Spiegel der Venus « habe ich
wichtige Erkenntnisse über die Ratio
des Menschen gewonnen, wie man sie
zum Beispiel auch bei Immanuel Kant
findet. Insofern war das Buch für mich
eine lehrreiche Geistesschule.
Wird es weitere Romane geben?
Alles ist offen! Ich lebe einfach von
Tag zu Tag und schaue, wohin mich
das Leben führt. Meine Energie speist
sich aus einer tiefen inneren Quelle, die
mich das machen lässt, was ich mache.
Ich führe dadurch ein unglaublich
glückliches Leben, für das es jedoch
nie einen richtigen Plan gab.
Matthias Mineur