Literatur

18.10. | Buch der Woche

Susanne Abel • Was ich nie gesagt habe

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18.10. | Buch der Woche - Susanne Abel • Was ich nie gesagt habe

Susanne Abel
Was ich nie gesagt habe

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Taschenbuch, 574 Seiten, 13,00 €

2021 widmete sich Susanne Abel in ihrem Debütroman „Stay away from Gretchen“ der 84-jährigen Greta, zeichnete das Leben ihrer Protagonistin anhand einschneidender Lebenslinien nach – zwischen Ostpreußen, der Flucht in den Westen nach dem Krieg und ihrer Beziehung zu einem afroamerikanischen Soldaten, von dem sie schwanger wird. Eine Adoption ihrer Tochter in die USA: ein ebenso unausweichliche wie folgenreiche Entscheidung für die 18-jährige. Denn Jahrzehnte später wird es ihr Sohn Tom sein - als Nachrichtensprecher ebenso erfolgreich wie als Familienmensch ungeeignet - der in die Vergangenheit seiner an Demenz erkrankten Mutter eintaucht. Den Bogen über zwei Zeitebenen gestreckt, gelang Susanne Abel mit ihrem Debütroman die ebenso sensible wie eindrückliche Schilderung einer Familienchronik, die sich aus Geheimnissen, Unausgesprochenem und der Suche nach dem eigenen Glück in den Wirren familiärer Verstrickungen zusammensetzt. In ihrem nun ebenfalls als Taschenbuch erschienen Roman „Was ich nie gesagt habe“ (2022), nimmt Abel den Faden ihrer Geschichte wieder auf. Allerdings rückt sie diesmal weniger Toms Mutter, als vielmehr dessen verstorbenen Vater Konrad ins Zentrum der Geschehnisse. Seine Kriegserlebnisse und sein Beruf als Gynäkologe bilden jedoch nur den Rahmen für die eigentliche Handlung, nämlich die sich wandelnde Identität eines Menschen, angestoßen durch das Finden der eigenen Wurzeln. Denn Tom verändert sich; seine Haltung zur Familie und zu seiner eigenen Person wird eine andere. Der Stein, der diesen Entwicklungsprozess ins Rollen bringt: Toms Aufeinandertreffen mit Henk, seinem Halbbruder. Dieser will mehr über den gemeinsamen Vater erfahren - eine Entscheidung, die nicht ohne Folgen bleiben und die Familienkonstellation der Monderaths erneut auf den Kopf stellen wird. Wer war sein Vater - und hat er seine Position als Arzt für persönliche Belange missbraucht? Ein Roman, der anhand der Auseinandersetzung mit dem Thema des transgenerationellen Traumata am Ende zwei Fragen aufwirft: Was hält Familie im Kern zusammen und wieweit darf die Reproduktionsmedizin gehen, ohne dabei die Grundsätze der Ethik zu verletzen?