Musik
17.05. | Album der Woche
Jordan Rakei • The Loop
Decca
Foto: Samuel Bradley
Wertfreier Raum
Weg vom Computer, hin zum menschlichen Element der Musik. Jordan Rakeis Ambition für »The Loop« war das Schaffen eines großen Sounds – mit Erfolg.
Fällt es Ihnen leicht, Ihren inneren Kritiker auszuschalten?
Bei diesem Album ist mir zum ersten Mal gelungen, meinen kreativen Prozess gänzlich ohne Wertung anzugehen. Ich weiß nicht, ob es an daran liegt, dass ich in der Zwischenzeit Vater geworden bin oder an dem Fakt, dass ich mich nicht mehr am Anfang meiner Karriere befinde. Ich bin selbstbewusster und zufriedener, was meine musikalischen Entscheidungen angeht. Früher hätte ich beim Schreiben eines fröhlichen Songs innegehalten und mich selbst zu mehr Melancholie ermahnt. Aber mittlerweile ist meine Auffassung, dass alle Facetten, eben auch diese optimistischen, ein Teil von mir sind.
Vor wessen Kritik hatten Sie in der Vergan genheit am meisten Angst?
Ich fragte mich ständig, was meine coolen Jazz-Kollegen über meine Musik denken. (lacht) Ich bin in einer Szene unterwegs, die sehr progressiv ist und wegen meines popaffinen Gesangs einer der wenigen Künstler, die den Spagat zum Mainstream provozieren. Man warf mir schon mal vor, ein Feature mit einem Pop-Künstler nur zu machen, um in diesem Genre Fuß zu fassen oder den Zeitgeist zu treffen. Abgesehen davon, dass das nicht meine Motivation für die jeweiligen Songs war, finde ich es aber sowieso komisch, dass der Wunsch, ein breiteres Publikum erreichen zu wollen, so oft verpönt wird.
Wie erklären Sie sich das?
Ich glaube, dass Neid eine große Rolle spielt. Ich kenne das von mir selbst aus früheren Jahren. Man vergleicht sich ständig mit anderen Kollegen, die erfolgreicher sind. Gerade in der Jazz- und Klassikszene haben viele Musiker ein unglaubliches Fachwissen und instrumentales Können. Es gibt im Mainstream viele Künstler, die trotz geringerer Expertise mehr Zuspruch erhalten und durch dieses Ungleichgewicht entstehen Eifersucht und Groll.
Was entgegnen Sie solchen Standpunkten? Oft wird angenommen, dass man die Musik simplifizieren muss, um eine größere Masse zu erreichen, aber ich glaube, das stimmt nicht. Ich möchte meine Geschichten einem möglichst breiten Publikum erzählen und mich für diese Aspiration nicht mehr schämen. Ich habe früher Herbie Hancock, aber eben auch Kanye West, Chris Brown und Usher gehört und möchte diese Seite von mir genauso annehmen. Wenn man die Abwehrhaltung und den falschen Ego-Elitismus ablegt, kann man diese beiden angeblichen Gegensätze wunderbar miteinander verbinden.
Jordan Rakei
The Loop
Decca • 10. Mai
Dass Jordan Rakei sich bei »The Loop« von selbst auferlegten Grenzen freigemacht hat, merkt man nicht nur an dem Facettenreichtum der einzelnen Songs, sondern auch an einem Meisterstück wie »Trust«. Es ist faszinierend, mit welcher Leichtigkeit der Multiinstrumentalist die verschiedensten Genres miteinander verbindet und eine groovige Soul-Funk-Nummer mit jazziger Rhythmusgruppe aus dem Boden stampft, die musikalische Virtuosität mit Pop-Appeal organisch unter einen Hut bringt.
Katharina Raskob