Kino

16.03. | Kinostart der Woche

Broker

16.03. | Kinostart der Woche - Broker

Wahlverwandtschaften

Nach seinem Frankreich-Abstecher mit »La Vérité« hat es den japanischen Cannes- Gewinner Hirokazu Kore-eda für »Broker« nun nach Korea verschlagen.

Herr Kore-eda, in der Regel drehen Sie in Ihrer japanischen Heimat. Warum hat es Sie für »Broker« nun nach Südkorea gezogen?

Das lag vor allem an den Schauspielern Song Kang-ho und Gang Dong-won. Die beiden traf ich über Jahre immer wieder bei Filmfestivals oder wenn sie nach Tokio kamen, um ihre Filme vorzustellen. Wir sagten jedes Mal, dass wir was zusammen machen müssten. Und als mir dann 2016 die Idee einer Geschichte über Song Kang-ho als Priester, der eine Babyklappe betreibt, in den Sinn kam, wurde es Zeit, daran zu arbeiten, diese Lippenbekenntnisse auch endlich Wirklichkeit werden zu lassen.

Wie kamen Sie auf die Babyklappe als Ausgangsidee?

Als ich 2013 meinen Film »Like Father, Like Son« drehte, recherchierte ich viel zum japanischen Adoptions- und Pflegesystem. Damals erfuhr ich, dass es in ganz Japan nur eine einzige Babyklappe gibt, in der Stadt Kumamoto. Das faszinierte mich, und ich fing an, mich mehr mit dem Thema zu beschäftigen. Ich lernte, dass in Korea zehnmal mehr Babys bei Klappen abgegeben werden. Daraus entstand dann nach und nach die Geschichte für »Broker«.

Familienbande, vor allem solche jenseits der klassischen Kernfamilie, haben Sie schon immer interessiert. Warum eigentlich?

Wahrscheinlich weil in Japan und übrigens auch Korea immer noch ein tief verwurzeltes, konservatives Bild davon herrscht, wie eine Familie auszusehen hat. Doch ich war schon immer davon überzeugt, dass man nicht blutsverwandt sein muss, um emotionale Bande zu knüpfen und zu einer familienartigen Einheit zu werden. Das will ich mit meinen Filmen zeigen, und natürlich bieten sich gerade gesellschaftliche Außenseiter für solche Geschichten an, die sich zu Wahlfamilien zusammenschließen. Ich würde mich freuen, wenn wir als Gesellschaft unsere veralteten Vorstellungen diesbezüglich ein wenig zu hinterfragen beginnen.

Wie schon in früheren Filmen spielt auch dieses Mal ein kleiner Junge eine zentrale Rolle. Verlangt Ihnen die Arbeit mit Kindern etwas anderes ab als die mit Erwachsenen?

Die Arbeit mit Kindern unterscheidet sich sehr von der mit Erwachsenen, egal ob Profis oder nicht. Ich schlüpfe in eine Art Lehrerrolle, und für jedes Kind, mit dem ich arbeite, brauche ich eine eigene Herangehensweise. Es gilt immer herauszufinden, wie viel Ausdauer sie haben und wie viel von der Geschichte ihnen begreiflich ist. Ich schätze diese Arbeit enorm. Und versuche stets, mit den Kindern auch nach den Dreharbeiten in Kontakt zu bleiben.

Broker

  1. März, 2 Std. 9 Min.

Eine Frau, die ihr Neugeborenes zunächst bei einer Babyklappe abgibt, dann aber doch zurückkehrt. Zwei Männer, die daraus Kapital schlagen wollen. Und die Polizei, die ihnen auf den Fersen ist. Dass es Kore-eda gelingt, aus einer Geschichte, in der es nicht zuletzt um Menschenhandel geht, einen für ihn typischen, sehr zarten und warmherzigen Film über Außenseiterinnen und Außenseiter und Wahlfamilien zu machen, beweist ohne Frage sein erzählerisches und inszenatorisches Ausnahmetalent.

Patrick Heidmann