Musik

16.02. | Album der Woche

Boris Blank • Resonance

Virgin · 16. Februar

16.02. | Album der Woche - Boris Blank •  Resonance

Foto: Virgin


Planetarium der Seele

Ich bin ein Geräuschmensch“, sagt Boris Blank. „Und das eigentlich schon, seit ich im Mutterbauch war. Wenn meine Mutter schnell gelaufen ist, hat ihr Herz gepocht. Da musste ich immer mit, mit diesem Rhythmus. Und dann bin ich auf die Welt gekommen.“ Der 72-jährige Electropionier lacht sein verschmitztes Lachen. Zusammen mit seinem musikalischen Partner Dieter Meier ist Blank schon seit mehr als 40 Jahren unter dem Namen Yello aktiv, wo Klangexperimente und abstrakte Rhythmen bekanntlich großgeschrieben werden. Wenn es um seine kreative Herangehensweise geht, beschreibt sich der Schweizer als „Jäger und Sammler“, der sich über die Jahre ein Riesenarchiv von bunten Soundfiles zusammengetragen hat. Allerhand Geräusche, Klänge, Muster und Versatzstücke schlummern da auf seinen Festplatten, und weil Boris Blank ein fotografisches Gedächtnis hat und seine Ordner immer ordentlich beschriftet, fühlt er sich bei seinen Studiobesuchen „wie ein Eichhörnchen, das seine im Herbst vergrabenen Nüsse wieder zu Tage fördert.“ Das Zusammensetzen der Töne sei wie ein Spiel für ihn, sagt der Musiker, intuitiv und ohne dass er oder sonst jemand deswegen Noten lesen können müsste. „Irgendwann bildet sich ein Umriss, und ich denke: Aha, da könnte die Reise hingehen! Und dann lasse ich mich treiben. Am Ende steht etwas, mit dem ich mich selbst überrasche.“ Überraschend kam auch der Auftrag, der ursprünglich verantwortlich war für Blanks neues Album „Resonance“. Ein neu gebautes und recht extravagantes Thermalbad im Zürcher Umland war auf der Suche nach einem Soundtrack für die Beschallung der Bäderlandschaften, um das angebotene Wellnesserlebnis um mindestens einen weiteren Sinn zu ergänzen. Schon die Schilderung entschleunigt den Puls: ein über zwei Stockwerke verteilter Wintergarten, ein abgedunkeltes Solebad samt LED-Firmament, eine Liegeinsel, von der aus man Filmprojektionen an der Decke verfolgen kann. Die Betreiber wollten „keine Panflöten, keine keltischen Harfen, kein Kitsch und keine Esoterik“, und fragten deswegen gleich bei einem Klangkünstler an, dessen Vision Ästhetik und Anspruch vereint. „Die Musik sollte sowohl die Yello-DNS in sich tragen als auch meine eigene Handschrift“, erläutert Boris Blank. „Außerdem sollte sie einen gemächlichen, meditativen Charakter haben. Man wollte schließlich nicht, dass diese Wiederbelebungsgeräte an den Wänden gebraucht würden.“ Mit dem Ergebnis sind nicht nur Künstler und Auftraggeber zufrieden, sondern vor allem auch die Badegäste, die sich auf dem Heimweg regelmäßig danach erkundigten, ob man die soeben gehörte immersive Wohlfühlmusik auch auf CD kaufen könnte. Mit „Resonance“ wird diesem Wunsch nun entsprochen. „Ein kleines Stück Filmmusik für den Kopf“ ist das Album geworden, eine akustische Reisebegleitung, die einen beim Hören vom Innersten zum Äußersten führt. Das in der Fruchtblase schlummernde Baby kann man sich ebenso vorstellen wie den Astronauten, der durch die Weltraumweiten schwebt. Boris Blanks Mutter hätte ihren Gefallen daran gefunden.


Boris Blank

Boris Blank
Resonance

Virgin, 16. Februar

Es ist explizit keine Klangtapete, die Boris Blank mit seinem neuen Album „Resonance“ an die Wand wirft. Dazu klingen die instrumentalen Kompositionen viel zu dreidimensional und viel zu dynamisch. Jeder Song hat seine eigene Kontinuität, die das Publikum abholt, entführt und entschweben lässt, um es am Ende wieder auf die Füße zu stellen. Ein Planetarium für die Seele ist das, eine Sternkarte für die eigene Phantasie, bei der sich die Gedanken wie von selbst in Elementarteilchen zerlegen. In innovativem Mehrkanalton aufgenommen, verlangt das Hörerlebnis eigentlich ein passendes Ambiente. Wer kein Schweizer Thermalbad zur Hand hat, probiert vielleicht die eigene Badewanne und schaltet das Licht aus.

Markus Hockenbrink