Literatur

15.07. | Buch der Woche

Eshkol Nevo • Die Wahrheit ist

dtv

Eshkol Nevo
Die Wahrheit ist
dtv, 432 Seiten

Wenn das nicht mal das passende Buch zu diesem Magazin ist. In »Die Wahrheit ist« beantwortet ein Autor Fragen seiner Leser an sich selbst und schaut dabei schonungslos auf das eigene Leben. Der Erzähler ist Anfang 40, Vater von drei Kindern und wurde gerade von seiner Ehefrau rausgeworfen. Er heißt: Eshkol Nevo.

In seinem in Interviewform angelegten Roman hangelt sich der in Jerusalem geborene Schriftsteller an den Eckdaten seiner Biografie entlang, lässt reale Figuren auftreten und macht keine Geheimnisse aus den Unsicherheiten und Missständen seines Lebens. Der Klappentext klingt schnell nach dem Läuterungsprozess eines Mannes in der Lebenskrise. Nach den ersten Seiten, die diesen ersten Eindruck bestätigen, entwickelt sich jedoch eine vielschichtige Erzählung, die universelle Fragen und Konflikte des Lebens aufgreift, die Begriffe Heimat und Identität im modernen Israel verhandelt und dabei stets die Macht des Narrativen in den Fokus stellt.

Für Eshkol ist es Zeit für die Wahrheit, er will durch diesen Text »gerettet« werden. Doch was ist die Wahrheit? In diesem Spiel mit Autobiografie und Fiktion, das nicht zuletzt an die Literatur von Karl Ove Knausgård erinnert, verliert man sich schnell – und soll es auch. Nevo selbst spricht von einer »sehr ehrlichen Fiktion«. Und trotz der Schwere, die in seinen Zeilen mitschwingt, gelingt ihm diese Art der Selbsttherapie mit Witz und Charme. Ein großes Lob gebührt auch Markus Lemke, der hier mit seiner Übersetzung aus dem Hebräischen erstklassige Arbeit geleistet hat. Eine gelungene Lektüre für jeden Interviewliebhaber.

Hannah Heubel