Literatur

15.03. | Buch der Woche

Simone Atangana Bekono • Salomés Zorn

C.H. Beck

15.03. | Buch der Woche - Simone Atangana Bekono • Salomés Zorn

Simone Atangana
Salomés Zorn

Hardcover
246 Seiten, 24,00€

Konfrontationen

Rassismus, Zorn und eine lebendige, vielseitige Erzählung: Der Debütroman der niederländischen Autorin Simone Atangana Bekono ist auf vielen Ebenen bemerkenswert.

Zwischen Flüchtlingsheim und Grundschule, Beleidigungen und Ausgrenzungen wächst Bekonos Hauptfigur Salomé als Kind kamerunischer Eltern in der niederländischen Provinz auf. Und die Wut wächst mit ihr. Wut auf die anderen, Wut auf sich selbst und auf ihre Verlorenheit in einer Welt voller (weißer) Männer, die sie ihr erklären und sie in Schubladen stecken. Salomés Vater kennt das Gefühl der Hilflosigkeit und rät seiner Tochter, zu kämpfen, die Faust stets bereit zu halten. Als Salomé sich dann (endlich?) gegen Schikanierungen zur Wehr setzt, landet sie in der Jugendstrafanstalt. Doch damit nicht genug. Als Therapeut wird ihr Frits an die Seite gestellt, ein selbstbetitelter »Afrika-Fan«, der es durch eine TV-Show zu Bekanntheit brachte, in der weiße Niederländer auf den afrikanischen Kontinent geschickt werden, um dort das »primitive Leben« kennenzulernen und vor allem: mit Hohn und Spott zu kommentieren. In Bekonos erstem Roman geht es um mehr als jugendliche Wutausbrüche. Sprachlich und narrativ setzt sie den Druck um, den stetig spürbarer, struktureller Rassismus auf nicht-weiße Menschen ausübt. Salomé wird immer kleiner, ihre Brust verengt sich und ihr bleibt nichts als angewidertes Staunen über die Ungerechtigkeit, mit der sie ihr Leben lang konfrontiert wird. Bekono, die Kreatives Schreiben am Institut der Künste Arnheim studierte und in den Niederlanden mehrfach für ihre Poesie ausgezeichnet wurde, verleiht dem inneren Kampf ihrer jungen Protagonistin vielschichtigen Ausdruck. Zwischen spröden und bedrohlichen Alltagssituationen in der JVA taucht sie mit stilistischer Sicherheit in metaphorische Traumszenarien ein und spielt mit literarischen Zitaten und Bildern. Durchzogen wird der kraftvolle Text von Dialogen zwischen Salomé und Frits, bei denen Frits nur dank seiner beruflichen Stellung am längeren Hebel sitzt. Schließlich sind da noch ihre Mitgefangenen, die Salomés Schmerz teilen und ihm Ausdruck verleihen – sie ist kein Einzelfall. Die zahlreichen Konfrontationen (Originaltitel auf Niederländisch: »Confrontaties«), die Salomé im Inneren wie im Äußeren durchsteht, werfen immer wieder Fragen nach Selbstbestimmung, Machtstrukturen und natürlich Rassismus auf. Der Autorin gelingt es dennoch, einen Roman voller Mut und Kraft vorzulegen, bei dem Salomé am Ende mit Haltung ihren Platz einfordert und nicht an den Zumutungen zerbricht. Simone Atangana Bekono nutzt mit gerade einmal 30 Jahren ihre geschliffene Stimme für ein immens wichtiges Thema, dem noch immer nicht genug Sichtbarkeit zukommt, auch und vor allem nicht in Deutschland. Umso begrüßenswerter ist es, dass C.H. Beck das 2020 erschienene Debüt nun in der deutschen Übersetzung veröffentlicht. Denn der Rassismus, der in jeder Ritze steckt, ist sicher kein individuelles Problem unseres kleinen Nachbarlandes. Das beweisen nicht zuletzt sich wiederholende, rassistisch motivierte Übergriffe auf People of Colour. Bleibt zu hoffen, dass die wirkmächtigen Texte der Niederländerin auch in Zukunft in unseren Buchhandlungen zu finden sind.

Marina Mucha