Literatur

14.07. | Buch der Woche

Christoph Hein • Guldenberg

Suhrkamp

Wer nach Guldenberg gehört und wer nicht, das bestimmen die Guldenberger. Wäre ja noch schöner, wenn sich da irgendwer einnistet, der die Idylle beschmutzt. Hier hat alles seine Ordnung. Das Übel wartet anderswo. „Von sexuellen Übergriffen und gar Vergewaltigungen hatte man schaudernd in der Zeitung gelesen, aber das waren Vorfälle aus einer anderen Welt, derlei gab es in Guldenberg nicht“, heißt es im Roman. Die Hölle, das sind, nach Sartre gesprochen, die anderen; in Christoph Heins sehr gelungenem neuen Werk sind die anderen die, die anders sind. Ja, wieder Guldenberg, der fiktive Bezugspunkt von Heins Literatur; zu seinem Kindheitsort soll es manche Parallele geben. Als eine Gruppe jugendlicher Migranten in dieses Dorf kommt, wo man „Erregung nicht gewohnt“ war, ist das Urteil schnell gesprochen: die sollen schleunigst weg hier. Dann wird bekannt, dass eine junge Frau vergewaltigt wurde – nun brechen alle Dämme. Hein zeigt in einer präzisen, unaufgeregten Sprache, worin das Grundübel innerhalb einer Gesellschaft besteht: In der Hoffnung auf die Existenz einer einfachen, sauberen, klaren und übersichtlichen Welt. Die gibt es nicht. Aber es gibt die, und es sind viele, die es nicht ertragen können, dass Menschen anders aussehen, andere Sitten und Regeln haben, andere Sprachen sprechen. Rassismus ist eine Antwort auf die, die sich nicht einfügen, die sich nicht „auf Linie“ bringen lassen. Ein Moralist war Hein nie. Er beobachtet. Er bildet ab. Und das trifft ins Mark.

Christoph Hein
Guldenberg

Suhrkamp, 284 Seiten

Sylvie-Sophie Schindler