Kino

13.10. | Kinostart der Woche

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Kreuzfahrt mit Marx

Satirisch nimmt der schwedische Regisseur Ruben Östlund in seinem Cannes-Gewinner „Triangle of Sadness“ den Kapitalismus und die Welt der Reichen und Schönen aufs Korn.

„Triangle of Sadness“ handelt von der Modebranche und von Influencern, von einer Luxuskreuzfahrt und saufenden Superreichen, von Klassenunterschieden und Überlebenskämpfen. Woraus hat sich die Idee zum Film ergeben?
Dieser Film ist wohl meinem Interesse für die Modewelt und für den Alltag von Models geschuldet. Meine Ehefrau ist Modefotografin, und als ich sie kennenlernte, wollte ich unbedingt mehr über ihr Arbeitsumfeld erfahren. Daraus entwickelten sich dann schnell ganz viele unterschiedliche Ideen. Mich interessierte zum Beispiel speziell die Welt der Männermodels. Dass die durchschnittlich nur ein Drittel von dem bekommen, was ihre weiblichen Kolleginnen erhalten, verdient Beachtung, schließlich gibt es kaum andere Berufe, in denen das der Fall ist. Und allein die Tatsache, dass man sie nie bloß als Models bezeichnet, sondern immer als Männermodels finde ich spannend.

Die Modebranche lassen Sie allerdings nach dem ersten Drittel hinter sich und verlagern die Handlung auf ein Kreuzfahrtschiff. Warum?
Weil ich etwas vermeiden wollte, was meiner Meinung nach heutzutage viel zu sehr an der Tagesordnung ist. Nämlich der Versuch, die Welt anhand es Verhaltens Einzelner zu erklären. Wir sind geradezu besessen davon, dass es die Guten und Bösen gibt. Mir ging es mehr um einen soziologischen Ansatz. Marx ist einer der Begründer der Soziologie und viele seiner Wirtschaftstheorien darüber, wie unsere Position innerhalb ökonomischer Strukturen unser Verhalten beeinflusst, haben mich bei „Triangle of Sadness“ inspiriert. Gerade weil die Linke heutzutage Marx vergessen zu haben scheint und sowohl die Politiker als auch die Wähler sich fast nur noch auf diese Schwarz-Weiß-Einteilung versteifen. So kam ich dann zu diesem Schiff als Setting, das eben auch sinken kann, so dass auf einer einsamen Insel erst einmal alle Hierarchien ausgelöscht sind, bevor sie sich zu veränderten Bedingungen neu etablieren.

Ist der von Woody Harrelson gespielte Kapitän des Luxusschiffes womöglich Ihr Alter Ego?
Diese Figur ist für mich Alkoholiker, Idealist und Marxist gleichermaßen. Und zumindest in den letzten beiden Begriffen finde ich mich durchaus wieder. Woody zitiert in seiner Rolle viele Aussagen von Marx, an die auch ich glaube. Letztlich findet man aber in all meinen Figuren Elemente von mir, also auch im kapitalistischen russischen Oligarchen oder dem Waffenhändler-Ehepaar.

Triangle of Sadness
13. Oktober, 144 Minuten
Wie beim Vorgänger „The Square“ zeigt sich auch hier, dass Östlund kein Mann für das Subtile ist. Seine Kapitalismus- und Oberflächenkritik ist schrill und plakativ, und die Grenze zwischen böser Satire und plumper Überheblichkeit verrutscht ihm immer wieder. Gleichzeitig ist der überlange, in mehrere Teile zerfallende Film ungemein kurzweilig, nicht zuletzt dank einer denkwürdigen Seekrankheits-Passage sowie einem spielfreudigen Ensemble, zu dem u.a. Woody Harrelson, Sunnyi Melles und Iris Berben gehören.

Patrick Heidmann