Musik

13.08. | Album der Woche

Jade Bird • Different Kinds Of Light

Glassnote

Gesunde Distanz

Die Singer-Songwriterin Jade Bird verhandelt auf ihrem zweiten Album das, wie sie sagt, „Chaos des Versuchs, sich von seiner Vergangenheit zu entfernen“.

Wie gut können Sie sich mittlerweile von Ihrer Vergangenheit distanzieren? Es geht mir eher darum, Ereignisse in meiner Vergangenheit mit meinem jetzigen Ich auszusöhnen. Das Schreiben von Musik bedeutet im Wesentlichen Verarbeiten von Geschehnissen, und nachdem mein erstes Album vor allem davon handelte, habe ich in dieser Hinsicht schon einiges hinter mir. Letztlich kommst du nie weg von deiner Vergangenheit, denn sie gehört zu dir – die schlechten wie die guten Erlebnisse.

Wie stehen Sie zum Thema Reue?
Ich habe Dinge getan, die ich nicht noch mal tun würde. Doch durch die Umstände, die auf vermeintliche Fehler folgten, habe ich jetzt die Liebe meines Lebens gefunden, ein starkes Verhältnis zu meinen Freunden und das Vermögen zu wachsen. Ich würde nichts ändern, denn ich bin dankbar, da zu sein, wo ich bin.

Je ne regrette rien?
Ich würde diesen Satz sicherlich nicht benutzen, um mich zu rechtfertigen, wenn ich andere Menschen schlecht behandle. Die einzige Reue, die ihren Weg in meine Texte gefunden hat, basiert auf Dingen, die ich nicht kontrollieren konnte und die Schaden bei mir angerichtet haben.

Distanz zu unserer Vergangenheit kann uns befreien oder uns entwurzeln. Wo stehen Sie?
Ich bin gesund distanziert. Ich habe mich in der Vergangenheit sehr überschattet gefühlt von ungelösten Problemen und wurde stark definiert durch dieses Chaos. Vielleicht hat es mir auf merkwürdige Weise sogar eine Zuflucht geboten. Wir sollten nicht in der Vergangenheit leben, insbesondere wenn sie uns negativ beeinflusst. Aber Dinge ungelöst lassen, das ist auch nicht gut. Im Unterbewusstsein folgen sie uns.

Sie haben in Japan, Mexiko, Tennessee und New York aufgenommen – Orte, die komplett verschiedene künstlerische Rahmenbedingungen schaffen. Hatte das unmittelbaren Einfluss auf Sie?
Ich schreibe gern gerne an Orten, die sich für mich fremd anfühlen. An Orten, an denen ich noch nicht war. Das ermöglicht einen Fokus in meinem Schreibprozess, der sehr nützlich ist. New York ist mir andererseits vertraut – was mir erlaubt hat, aufs Neue zu entdecken, wer ich als Autorin bin. Im Jahr 2019 hatte ich so viel um die Ohren, dass ich das für einen Moment aus dem Blick verloren hatte. Zeit in einer Hütte im winterlichen Wald zu verbringen – das schränkt Ablenkungen so sehr ein, dass du dich auf die Geschichten einlassen kannst, die du erzählen willst.

Jade Bird
Different Kinds Of Light

Glassnote, 13. August
Die Songs und Sounds, in die Jade Bird ihre Beobachtungen verpackt, sind auch auf ihrem zweiten Album so schlicht wie bezaubernd. „Headstart“ beginnt als cooler Groover, ehe im Refrain die Fenster heruntergekurbelt werden. „Open Up The Heavens“ ist eine poppige Hymne für künftige Festivals, „1994“ zitiert mit quietschender Gitarre den Grunge, während der Titelsong mit verschleppten Drums und hinreißenden Pianotupfern leise mit dem Jazz flirtet. Diese Vielfalt muss man erst mal so souverän stemmen.


Foto: Colin Lane

Friedrich Reip