Literatur

Wartehallen haben oft etwas Bedrückendes. Zwischen verpassten Möglichkeiten oder ungewolltem Innehalten machen zwielichtige Gestalten länger Station und finden inmitten der Anonymität ein labiles Zuhause. Wer fragt sich nicht in einem kurzen Moment des hastigen Vorbeigehens, welches Schicksal diese Menschen dorthin verschlagen hat? Kevin Barry gibt mit „Nachtfähre nach Tanger“ eine mögliche Antwort. Denn bevor sich Maurice Hearne und Charlie Redmond als zwei gegerbte Iren im Fährenterminal von Algeciras als Dauergäste wiederfinden, verlebten die beiden Kollegen eine wilde Achterbahnfahrt, deren Ankerpunkte nicht nur die große Liebe, sondern vor allem auch der Drogenschmuggel mit all seinen Lastern war. Die verschiedenen Episoden, die sowohl von großem Glück als auch von totalen Zusammenbrüchen gekennzeichnet sind, beleuchtet Barry in einzigartiger Sprache, bei der sich – ganz wie bei den Facetten des Lebens seiner Protagonisten – lyrische Schönheit mit brutaler Vulgarität abwechseln.

Kevin Barry
Nachtfähre nach Tanger
Rowohlt, 208 Seiten