Kino

12.12. | Kinotipp der Woche

The Kindness of Strangers

Ob auf der Theaterbühne oder dem Fernsehbildschirm – Bill Nighy hat in seiner über 40-jährigen Karriere schon so manche Hauptrolle gespielt. Bekannt geworden ist der Brite allerdings durch zahlreiche Nebenrollen in Filmen wie „Tatsächlich... Liebe“, „Pirates of the Carribean“ oder „Operation Walküre“. In „The Kindness of Strangers“, der am 12. Dezember in den Kinos startet, spielt der Golden Globe-Gewinner nun als Restaurantinhaber Tomifey eine weitere.

Mr. Nighy, Sie spielen in „The Kindness of Strangers“ wie so häufig mal wieder eine recht kleine Rolle. Ist es nicht manchmal enttäuschend, nur am Rande aufzutauchen?
Nein, kein bisschen. Ich bin ja ganz froh, wenn ich nicht so viel zu tun habe. In „The Kindness of Strangers“ sollte ich eigentlich sogar eine noch kleinere Rolle spielen. Einen Kellner, der gerade einmal in zwei Szenen auftaucht. Auch das störte mich kein bisschen. Im Gegenteil freute ich mich darauf, für ein paar Tage nach Toronto zu fliegen, mit meiner geliebten Lone Scherfig zu Abend essen und ansonsten eine eher ruhige Kugel schieben zu können. Doch dann stieg ich in Kanada aus dem Flugzeug – und plötzlich gab es eine neue Drehbuchfassung mit zahlreichen Änderungen.

So kurzfristig?
Das ist nichts Ungewöhnliches. Nur war in diesem Fall eben meine Rolle eine ganz andere, mit einem Mal spielte ich nicht den Kellner, sondern den Restaurantbesitzer, mit dreimal so vielen Szenen. An sich natürlich eine gute Nachricht, denn ich spiele ja sehr gerne. Aber mein Plan, ein paar entspannte Tage in Toronto zu verbringen, hatte sich damit natürlich erledigt.

Würden Sie sich womöglich als faul beschreiben?
Nein, gar nicht. Aber ich bin eben keiner dieser Schauspieler, die sofort in ein Loch fallen, wenn sie mal ein paar Tage nicht vor der Kamera stehen. Im Gegenteil: wenn ich einen Job hinter mir habe, freue ich mich immer sehr, erst einmal wieder Zeit zu haben für alles, was mir Spaß macht. Spazierengehen, Nachmittage in Cafés oder Buchläden verbringen, Musik hören, Fußball gucken. Und dann warte ich, bis mir das nächste Projekt angeboten wird. Sonderlich proaktiv bin ich noch nie gewesen, auch wenn ich das gerade zaghaft ändere, indem ich ein, zwei Projekte als Produzent auf den Weg zu bringen versuche.

Sie haben gerade schon angedeutet, wie viel Ihnen Lone Scherfig bedeutet, die Regisseurin von „The Kindness of Strangers“...
Ich bin verrückt nach Lone, seit wir bei „Ihre beste Stunde“ das erste Mal zusammengearbeitet haben. Und wenn alles klappt, drehen wir bald ein drittes Mal zusammen. Eine Vater-Sohn-Geschichte, die im wunderschönen Florenz spielt. Das könnte ganz tolle, berührende Unterhaltung werden, nach allem, was ich bislang gelesen habe.

Was genau schätzen Sie denn an Scherfig so sehr?
Sie ist eine kluge Denkerin, die ihren ganz eigenen Kopf hat und sich nicht davon beirren lässt, was gerade angesagt oder gewünscht ist. Dadurch ist sie sehr individuell und besonders. Ganz zu schweigen davon, dass sie sehr viel lustiger, offener und freundlicher ist als viele andere Filmemacher, was sich großartig auf die Atmosphäre am Set auswirkt. Lone ist durch und durch Demokratin, in jedem Wortsinn. Wer mit ihr zusammenarbeitet, kann sich darauf verlassen, respektiert und gut behandelt zu werden. Natürlich steht auch sie unter Druck, wie alle Regisseure und Regisseurinnen heutzutage. Aber davon würde sie nie sich selbst oder anderen die Freude an der Arbeit verderben lassen.

Zurück zu Ihnen. Würden Sie sagen, dass es so etwas wie eine typische Bill Nighy-Rolle gibt?
Eigentlich nicht. Ich denke mal, dass es eine gewisse Art von Humor gibt, die ganz gut zu mir passt oder mir auch privat entspricht, weswegen ich für bestimmte Rollen gerne engagiert werde. Lakonisch ist eines der Worte, mit denen ich da oft beschrieben werde. Trotzdem lese ich eigentlich selten Drehbücher und denke: ach, sieh an, typisch ich! Überhaupt staune ich manchmal, wenn mir ein Skript in die Hand gedrückt wird, zu dem es heißt, eine Rolle sei eigens für mich geschrieben worden. Meistens käme ich da von allein nicht drauf.

Sie haben sich also nie festgelegt gefühlt?
Doch klar, das passiert Schauspielern ja immer mal. Für manche Rollen kommt man einfach eher infrage, schon aus optischen, kulturellen oder stimmlichen Gründen. Und die für die Besetzung Verantwortlichen sind auch nicht immer besonders einfallsreich. Zu Beginn meiner Karriere habe ich sieben Mal nacheinander einen Journalisten gespielt. Einfach weil es hieß: nehmt Nighy, der kann das, habe ich doch neulich im Fernsehen gesehen.

Foto: Alamode

Patrick Heidmann