Musik
12.08. | Album der Woche
Mari Samuelsen • LYS
Deutsche GrammophonMusikalische Lichtblicke
Mari Samuelsens Album heißt zu Deutsch »Licht« und versammelt strahlende Werke weiblicher Künstlerinnen, von Hildegard von Bingen bis Beyoncé.
Mari Samuelsen, hat Licht Sie schon immer
fasziniert?
Ja, denn ich bin sehr naturverbunden. Das hat
vielleicht auch damit zu tun, dass ich nicht in
der Stadt, sondern im ländlichen Norwegen
aufgewachsen bin. Obwohl ich mittlerweile eine
Balance zwischen beiden Extremen brauche, weiß
ich Dinge wie frische Luft und das klare Licht,
das damit verbunden ist, zu schätzen. Mir wird
immer bewusster, wie wichtig diese Faktoren
für meine mentale Gesundheit sind.
Wo findet man das schönste Licht?
Im Wald, wenn die Sonne durch die Bäume
scheint. In meiner Kindheit hatten wir hinter
dem Haus ein Waldstück und schon damals
fand ich dieses indirekte Licht sehr mystisch.
Diese undefinierte Verspieltheit berührt mich
mehr als direktes Sonnenlicht am Strand.
Auf welche Themen sollte mehr Licht geworfen
werden?
Ist das jetzt der Moment, in dem ich politisch
korrekt bin und »Geschlechtergleichheit« sage?
(lacht) Ich finde, dass Diversität ein Geschenk
für die Welt ist. Alles, was nicht alltäglich ist,
hat mehr Beachtung verdient, und wir sollten
es als etwas Spannendes und Interessantes
wahrnehmen, anstatt darüber zu urteilen und
es dadurch in eine Schublade zu stecken.
Sie denken generell nicht gerne in Kategorien,
auch musikalisch.
Das stimmt, für mich ist entscheidend, dass
Musik mich berührt. Das Genre spielt dabei
keine Rolle.
Sondern?
Es ist schwierig, das in Worte zu fassen. Manche
harmonischen Systeme lösen in mir mehr
aus als andere. Aber es kommt auch auf die
Instrumentierung, den Rhythmus oder die
Stimme an.
Fällt es Ihnen schwer, Ihr analytisches Ohr
auszuschalten?
Ja, deswegen höre ich auch nicht viel Musik,
bei der die Violine im Vordergrund steht, weil
ich sie unwillkürlich unter einem technischen
Aspekt beurteile und dadurch Emotionen
geblockt werden. Damit will ich keinesfalls
absprechen, dass es großartige Violinisten gibt,
die Gehör verdienen. Ich habe großen Respekt
vor unserem Instrument und dem Standardrepertoire.
Ich selbst sehe allerdings meine Aufgabe
nicht mehr darin, mich mit diesem zu profilieren.
Das habe ich bereits getan. Nun möchte
ich eine Stufe weitergehen. Deswegen hat mir
die Arbeit an »Lys« so viel Spaß gemacht. Ich
hatte mit diesem Album die Möglichkeit, all die
verschiedenen Klangvorstellungen großartiger
Frauen einzufangen und mit meiner Violine
als rotem Faden zu einem stimmigen Ganzen
zusammenzufügen.
Mari Samuelsen
LYS
Deutsche Grammophon, 20. Mai
So vielfältig wie das Licht selbst sind auch die Werke, die Mari Samuelsen auf »Lys« vereint. Während »White Flowers Take Their Bath« mit emotionalen Melodiebögen an die ersten zarten Sonnenstrahlen erinnert, die den Frühling einläuten, eröffnet »Midi« gänzlich andere Sphären. Virtuos schlägt die Norwegerin auf ihrer Violine Kapriolen, die sich mit elektronischen Klängen vermischen und so eher die heiße Abendsonne an den Partystränden Ibizas heraufbeschwören. Beide Facetten verzaubern auf eigene Art.
Katharina Raskob